Die Lebensmittelindustrie befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel, der die menschliche Ernährung revolutionieren könnte. Im Zentrum dieser Entwicklung steht das In-vitro-Fleisch, auch bekannt als Laborfleisch, welches aus kultiviertem Muskel- oder Fettgewebe entsteht. Der Vorteil dieser Methode liegt in der Herstellung ohne Tierleid. Laut lvz.de sollen mit der Produktion von In-vitro-Fleisch keine Ackerflächen für den Anbau von Futter benötigt, keine Weidehaltung praktiziert, und keine Tiertransporte oder Schlachtungen durchgeführt werden. Dies könnte zu einem geringeren Ausstoß von klimaschädlichen Gasen und weniger Wasserverschmutzung führen.
Die Raumschiff-Anlage zur Herstellung von Laborfleisch beginnt mit der Entnahme von Muskelgewebe aus einem lebenden Tier, welches in der Regel überlebt. Die aus diesem Gewebe isolierten Stammzellen werden dann in Bioreaktoren mit einer speziellen Nährlösung kultiviert. Diese Nährlösung enthält Zucker, Mineralien, Vitamine und fetales Kälberserum, welches allerdings von ungeborenen Tieren stammt und somit zu deren Tod führt. Einige Unternehmen forschen bereits an Verfahren, die ohne Kälberserum auskommen, jedoch sind diese noch nicht allgemein anerkannt.
Herausforderungen der Produktion
Trotz der vielversprechenden Aspekte bringt die Produktion von In-vitro-Fleisch auch Herausforderungen mit sich, wie den hohen Energiebedarf und die unklare Klimabilanz, die stark von der verwendeten Energiequelle abhängt. Zudem sind die Sicherheits- und Verträglichkeitsfragen von Laborfleisch nach wie vor unerforscht, da es bisher nur von wenigen Menschen konsumiert wurde. Die Produktionskosten sind ebenfalls hoch, jedoch sinken sie kontinuierlich, während die Zulassung von In-vitro-Fleisch in der EU noch aussteht, da es unter die Novel-Food-Verordnung fällt. Derzeit haben ein französisches Start-up und das Heidelberger Unternehmen The Cultivated B. Zulassungsanträge in der EU gestellt.
Im internationalen Vergleich hat Großbritannien den Verkauf von In-vitro-Fleisch als Tierfutter bereits genehmigt, und einige US-Bundesstaaten haben ähnliche Schritte unternommen. In Singapur ist seit 2020 der Verkauf von Laborfleisch durch das Unternehmen „Good Meat“ erlaubt.
Einfluss auf die Landwirtschaft
Ein weiterer zentraler Aspekt ist der Einfluss, den zelluläre Landwirtschaft auf die traditionelle Tierhaltung haben könnte. Cor van der Weele, Biologin an der Universität Wageningen, erforscht diesen Zusammenhang. Es zeigt sich, dass einige Landwirte gegenüber zellbasiertem Fleisch offen sind, insbesondere wenn dieses mit spezifischen Tieren in Verbindung gebracht wird. Der Dialog zwischen Landwirten und Herstellern ist wichtig, damit neue Technologien besser akzeptiert werden. Einige Forscher gehen davon aus, dass In-vitro-Fleisch die Landwirtschaft grundlegend verändern könnte, wobei kleinere Betriebe durch diese Technologie wettbewerbsfähiger werden.
Gesundheitliche Aspekte
In der derzeitigen Diskussion um Laborfleisch spielen auch gesundheitliche Bedenken eine Rolle. Hoher Konsum von konventionellem Fleisch gilt als ungesund und kann das Risiko für Darmkrebs erhöhen. Ob Laborfleisch gesundheitlich unbedenklicher ist, wurde bisher jedoch nicht ausreichend untersucht. Die Herstellung unter kontrollierten Bedingungen könnte zudem die Anfälligkeit für Krankheiten verringern, die durch tierische Produkte übertragen werden. Sterile Herstellungsbedingungen könnten auch den Einsatz von Antibiotika reduzieren, was zur Bekämpfung resistenter Krankheitserreger beitragen könnte. Des Weiteren könnte Laborfleisch durch den Zusatz von Nährstoffen oder eine verbesserte Fettzusammensetzung gesünder gestaltet werden.
Insgesamt zeigt sich, dass die Entwicklung von In-vitro-Fleisch sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich bringt, die sowohl die Zukunft der Lebensmittelindustrie als auch der Landwirtschaft entscheidend beeinflussen könnten.