Elisabeth Seitz, eine 31-jährige Europameisterin im Turnen, hat in einem Interview mit SWR Sport erschreckende Vorwürfe gegen ihre ehemalige Trainerin Claudia Schunk erhoben. Sie bezeichnete die Zeit in Schunks Trainingsgruppe am Turnzentrum Mannheim, in der sie von 2006 bis Ende 2014 trainierte, als geprägt von Machtmissbrauch und übergriffigem Verhalten. Seitz ist die erste aktive Turnerin, die sich öffentlich zu den Missständen im Turnsport äußert und spricht von zahlreicher psychischer und physischer Gewalt, die sie während dieser Jahre erleiden musste.
In ihrer Schilderung berichtet Seitz von Demütigungen sowie von körperlichen und psychischen Belastungen, die von Schunk verharmlost wurden. So kam es in einem besonders gravierenden Fall dazu, dass Seitz wegen einer Blutvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert werden musste, nachdem ihre Schmerzen nicht ernst genommen wurden. Diese Erfahrungen haben nachhaltige Folgen auf ihr Leben: Bis heute hat sie Schwierigkeiten, ihr Gewicht zu akzeptieren, was auf die negativen Bewertungen durch ihre Trainerin zurückzuführen ist.
Berichte über übergriffige Praktiken
Seitz erhebt zudem Vorwürfe bezüglich Schunks übergriffiger Kommentare zu ihrer Sexualität, die für sie äußerst verstörend waren. Auch andere ehemalige Turnerinnen berichten von ähnlichen Erfahrungen, wie etwa der Abgabe eines Teils ihrer Siegprämien an Schunk. Letztere verteidigte diese Zahlungen als eine Form der Ausbildungsrückführung, die den Turnerinnen zugutekommen sollte. Die Vorwürfe haben bereits den Deutschen Turner-Bund (DTB) erreicht, der angekündigt hat, die neuen Anschuldigungen zu prüfen.
Seitz appelliert nicht nur an den Verband, sondern fordert auch eine konsequente Entfernung derjenigen, die im Sport nicht im Interesse der Athleten handeln. Ihr Ziel ist es, zukünftige Generationen vor ähnlichen Erfahrungen zu bewahren.
Kritik am Turnstützpunkt Mannheim
Die Vorwürfe stehen nicht isoliert da, sondern verweisen auf ein größeres Problem des Machtmissbrauchs im Sport, das trotz des positiven Images des Leistungssports immer wieder ans Licht kommt. Laut Berichten unterschiedlichen Medien sind Täter oft in der Lage, leichtes Vertrauen bei Kindern und Jugendlichen aufzubauen, was sie in eine privilegierte Position bringt, die Missbrauch begünstigen kann.
Studien belegen, dass mehr als ein Drittel der Leistungssportler bereits sexualisierte Gewalt erfahren hat. Psychische Gewalt, wie öffentliches Anbrüllen und Körperbeschämung, ist weit verbreitet, ebenso wie körperlicher Druck, der Sportler zu einem Training trotz Verletzungen zwingt. Diese Erkenntnisse ergeben sich aus verschiedenen Studien, darunter die erste „Safe Sport“-Studie von 2014 und die jüngste „Sicher im Sport“-Studie von 2020, die alarmierende Zahlen über Gewalt im Sport zutage gefördert hat.
Mit Hilfe von Organisatoren und Initiativen wie „Fonds sexueller Missbrauch“ und dem geplanten Zentrum für Safe Sport will die gemeinschaftliche Sportorganisation für eine präventive Aufarbeitung der Gewalt im Sport sorgen. Zukünftige Schutzkataloge sollen Fehlverhalten rechtssicher ahnden, um die Athleten besser zu schützen. Diese Entwicklungen sind dringlich, um gegen die anhaltenden Gewaltstrukturen im Sport effektiv zu kämpfen.
Der Fall von Elisabeth Seitz zeigt eindringlich, dass Veränderungen im Sport notwendig sind. Es gilt, das Vertrauen in die Institutionen wiederherzustellen und sichere Trainingsumfelder zu schaffen.
Weitere Informationen sind verfügbar auf SWR, Mannheimer Morgen und Deutschlandfunk.