Reisen

Reisen in der Kritik: Schizophrenes Verhalten der Deutschen

Wie haben deutsche Urlauber ihr Verhalten im Tourismus verändert? Ein Experte deckt die „schizophrenen“ Tendenzen auf.

Ist das Reisen noch zeitgemäß? Und wenn ja, wohin? Ein Tourismus-Experte klärt auf, kritisiert Deutsche und nennt einige Beispiele. Für viele Deutsche ist der Urlaub das Highlight des Jahres. Egal, ob ein-, zwei- oder dreimal. Beim Reisen wird die berühmte Fünf mal gerade sein gelassen. Doch wie zeitgemäß sind Reisen in der aktuellen Debatte um Nachhaltigkeit, Klimawandel und Alternativen überhaupt noch? Eine Frage, mit der sich auch der Tourismus-Experte Jürgen Schmude, ehemaliger Professor an der Ludwig-Maximilian-Universität in München auseinandersetzt.

Schmude kritisiert vor allem die Deutschen, die eben beim Urlaub über Dinge hinwegsehen, die sie sonst besser im Auge haben. „Was die Nachhaltigkeit beim Reisen angeht, verhalten wir uns schizophren. Im Alltag haben wir ein viel größeres Bewusstsein für Nachhaltigkeit als im Urlaub, weil das ja „die schönsten Wochen des Jahres“ sind, da wollen wir nicht unbedingt mit dem Thema konfrontiert werden“, sagt Schmude im Interview mit Focus Online. Deutsche habe 2023 übrigens so viel Geld für Urlaub ausgegeben wie noch nie.

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Der Klimawandel, so Schmude, wird das Reiseverhalten wohl nur marginal verändern. Weiterhin werden die Deutschen wohl am liebsten nach Spanien und Italien reisen. Auch wenn der Experte das grundsätzliche Bedürfnis versteht (“Urlaub ist eine wunderbare Sache, sowohl für die Bürger als auch für die Wirtschaft in den Reiseorten“), ordnet er gerne ein, worauf die Menschen achten können.

Vor allem die Reise an sich zu verändern, sei schon wichtig. „Schließlich entfallen 50 bis 80 Prozent der Emissionen beim Reisen auf den Transport“, so Schmude. Für Wintersportfans schlägt er deswegen vor: „Skigebiete leiden mehr als offensichtlich unter dem Klimawandel, da wird sich der Skiurlaub in den nächsten Jahren immer mehr verändern. Die Schneekanonen sind dabei gar nicht so sehr das Problem, sondern die Urlauber, die mal eben jedes zweite Wochenende mit dem Auto in die Alpen fahren und Ski fahren.“

In eine ähnliche Richtung gehen Kreuzfahrten: „Wir haben knapp zwei Millionen Kreuzfahrer und Kreuzfahrerinnen in Deutschland. Kreuzfahrten sind eine Erfolgsgeschichte seit mehr als 20 Jahren, obwohl so vielen bewusst ist, was für einen negativen Einfluss die mit Schweröl betriebenen Giganten für Klima und Umwelt haben.“ Auch hier nutzt Schmude die Beschreibung für Deutsch mit dem Wort „schizophren“. Der Lebenszyklus von den Kreuzfahrtschiffen ist auch sehr lang, so leicht lassen die sich leider nicht auf erneuerbare Antriebe umbauen“, so der Experte, der die Transformation noch auf „Jahrzehnte“ einschätzt. Die Reedereien wollen da laut eigenen Aussagen schon dagegen wirken, wie Ende März beispielsweise TUI Cruises berichtet. Mit alternativen Treibstoffen soll „Mein Schiff 7“ in Dienst gehen. Das emissionsärmere Marinediesel soll das möglich machen.

Nicht nur Skifahrer oder Kreuzfahrer sollten – innerhalb ihrer Möglichkeiten – auf den ökologischen Fußabdruck achten. „Nachtzüge, E-Autos oder Reisebusse“, machen laut Schmude schon einen Unterschied. Fernreisen sollten länger als zwei Wochen dauern. „Beim Reisen gibt es keine perfekte nachhaltige Variante, wir können nur versuchen, so nah wie möglich daran zu kommen. Reisen ja, unbedingt. Aber bitte ein wenig nachdenken.“ Die Auswirkungen des Klimawandels sind Anfang April schon weltweit zu spüren. Auf Mallorca wurden 33 Grad gemessen, auf der Baleareninsel und auf Griechenland gab es schon vergleichsweise früh Waldbrände, in Thailand gab es nach extremer Hitze auch Warnungen der Behörden, die berühmten Gletscher in Neuseeland schmelzen dahin.

Lebt in Niendorf und ist seit vielen Jahren freier Redakteur für Tageszeitungen und Magazine im DACH-Raum.
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