Münster

Pogacar sichert sich entscheidenden Vorsprung bei packendem Tour de France Zeitfahren

Neuer Paradigmenwechsel im Radsport – Die Ära von Pogacar und Evenepoel

Gevrey-Chambertin (dpa) – Die diesjährige Tour de France war Zeuge eines aufregenden Wettkampfs zwischen den Top-Stars Tadej Pogacar und Remco Evenepoel, der die Weinberge der Bourgogne zum Schauplatz eines epischen Duells machte. Der amtierende Weltmeister Jonas Vingegaard hingegen musste einen weiteren Rückschlag hinnehmen, als sich nach dem ersten Einzelzeitfahren die Rollen bei der 111. Tour de France langsam aber sicher herauskristallisierten. 

Pogacar mag zwar den Tagessieg an den belgischen Jungstar abgegeben haben, aber er konnte seinen Vorsprung gegenüber seinem größten Rivalen Vingegaard um weitere 25 Sekunden ausbauen und somit einen weiteren Schritt auf dem Weg zu seinem dritten Gesamtsieg machen.

„Ich sehe, dass ich mich im Zeitfahren verbessert habe. Das gibt mir viel Selbstvertrauen. Im letzten Jahr habe ich fast 1:40 Minuten verloren, aber dieses Mal habe ich Zeit gegenüber Jonas und Primoz (Roglic) gewonnen. Das ist sehr gut für mich“, erklärte Pogacar nach seinem zweiten Platz auf der 25,3 Kilometer langen Zeitfahrstrecke von Nuits-Saint-Georges nach Gevrey-Chambertin.

Revolutionäres Debüt für Evenepoel

Das kleine Zeitpolster auf den belgischen Zeitfahr-Spezialisten konnte Pogacar leicht verkraften, da Evenepoel nicht sein Hauptkonkurrent ist. Selbst der Belgier gab ehrlich zu, dass „Tadej praktisch unerreichbar ist“. Evenepoel sicherte sich seinen ersten Tour-Etappensieg und betonte: „Wir haben nicht an die Gesamtwertung gedacht, es ging um den Etappensieg. Dieses Ziel haben wir erreicht.“ 

Vingegaard belegte mit einem Rückstand von 37 Sekunden auf Evenepoel den vierten Platz und gerät im Kampf um seinen dritten aufeinanderfolgenden Tour-Sieg weiter ins Hintertreffen. Pogacar liegt nun 33 Sekunden vor Evenepoel in der Gesamtwertung, aber der Belgier scheint gegen den slowenischen Ausnahmekönner im Hochgebirge chancenlos zu sein. Vingegaard ist Dritter mit 1:15 Minuten Rückstand.

Auch Roglic aus dem deutschen Red Bull-Team hat Zeit eingebüßt, wenn auch weniger als befürchtet. Der Gewinner des Giro d’Italia von 2023 war 34 Sekunden langsamer als Evenepoel und hat bereits einen Rückstand von 1:36 Minuten auf seinen Landsmann Pogacar in der Gesamtwertung. Ein möglicher Tour-Sieg scheint für Roglic unerreichbar zu bleiben.

Pogacar vollführt eine grandiose Wiedergutmachung für die Tour-Schmach von 2023

Pogacar hat erfolgreich Rache genommen für das Jahr 2023, und das erste Double aus dem Giro d’Italia und der Tour de France seit Marco Pantani vor 26 Jahren rückt näher. Schon bei seinem magischen Auftritt am Dienstag im Alpenriesen Col du Galibier zeigte der Slowene seine außergewöhnliche Klasse und übertrumpfte Vingegaard und Co.

Im vergangenen Jahr hatte Pogacar eine empfindliche Niederlage gegen Vingegaard im Tour-Zeitfahren einstecken müssen. 1:38 Minuten Rückstand auf nur 22,4 Kilometern fühlten sich wie eine Demütigung an, die den Superstar nachhaltig beeinflusste. „Das Zeitfahren in Combloux war ein Moment, wo ich mental eingebrochen bin“, gestand Pogacar ein.

Pogacar dominiert Vingegaard bereits zur Halbzeit

Der Wettlauf gestaltete sich diesmal anders. Schon nach dem einzigen Anstieg des Tages am Côte de Curtil-Vergy bei Kilometer 14,4 lag Pogacar 13 Sekunden vor Vingegaard, der aufgrund seines schweren Sturzes bei der Baskenland-Rundfahrt in diesem Jahr lediglich drei kleinere Zeitfahren bestritten hat. Ganz im Gegensatz zu Pogacar, der nach 2023 eine grundlegende Überprüfung seines Equipments vornahm und Helm, Material und Sitzposition optimierte – offensichtlich mit großem Erfolg.

Nur Evenepoel fuhr noch schneller über die Strecke, trotz eines kurzzeitigen mechanischen Problems. Der Weltmeister im Zeitfahren bereitete sich gezielt auf diese Prüfung vor und besichtigte die Strecke mehrmals. Am Ende wurde der 24-jährige mit seinem ersten Etappensieg bei der Tour belohnt. Dabei hatte er einen kleinen Nachteil: Sein weißes Trikot als bester Nachwuchsfahrer war weniger aerodynamisch als sein speziell konzipiertes Weltmeister-Trikot.

Deutsche Profis auf verlorenem Posten

Und die deutschen Radfahrer? Von den acht Profis war Zeitfahrmeister Nils Politt als 29. der Bestplatzierte. „Als deutscher Meister möchte man sich natürlich präsentieren. Die Beine waren ziemlich gut“, bemerkte Politt. Dennoch hat Deutschland seit dem Abschied des viermaligen Zeitfahr-Weltmeisters Tony Martin vor drei Jahren keinen Spezialisten in dieser Disziplin mehr.