Am 24. Januar 2025 rückt das Verbundprojekt „EZRA – Rassismus und Antisemitismus erinnern“ in den Fokus der Öffentlichkeit. Dieses innovative Projekt, das an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) und der Freien Universität Berlin (FU) durchgeführt wird, dient der Erforschung und Förderung von zivilgesellschaftlichen Erinnerungsinitiativen. Unter der Leitung von Prof. Dr. Karin Scherschel werden lokale Initiativen zur Erinnerungsarbeit analysiert, wobei Gruppendiskussionen als investigatives Mittel eingesetzt werden. Scherschel hebt die bedeutende Rolle dieser Initiativen für eine lebendige Erinnerungskultur hervor, insbesondere in Anbetracht des bevorstehenden Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar.
Das Projekt ist Teil eines umfassenderen Ansatzes zur Sensibilisierung für die Gefahren von Rassismus und Antisemitismus und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Es läuft bis Ende 2026 und gliedert sich in verschiedene Teilprojekte, darunter eine empirische Studie zur lokalen Erinnerungsarbeit sowie die Entwicklung digitaler Bildungsformate. Ziel ist es, eine Online-Plattform mit Lernmaterialien zu schaffen, die sich mit Themen wie Erinnerung, Zivilgesellschaft, Rassismus und Antisemitismus auseinandersetzt.
Zivilgesellschaftliche Initiativen und Erinnerungsarbeit
Im Kontext des Projekts wird deutlich, dass Gedenktage und Erinnerungspraktiken häufig das Resultat zivilgesellschaftlicher Kämpfe sind. Als Beispiel hierfür dienen die Stolpersteine, die in den letzten Jahrzehnten als ein stark sichtbares Zeichen des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus installiert wurden. Lokale Erinnerungsarbeit umfasst nicht nur das Schaffen authentischer Gedenkorte, sondern auch Bildungsinitiativen wie Stadtrundgänge, die das öffentliche Bewusstsein für nationale und internationale Verbrechen schärfen.
Die Vielfalt der zivilgesellschaftlichen Initiativen ist bemerkenswert, umfasst sie doch verschiedene Felder wie Nationalsozialismus, Kolonialismus und postnationalsozialistische Gewalt. Seit den 2000er Jahren ist eine zunehmende Organisation von Initiativen zu beobachten, die sich mit rassistischer Gewalt nach 1945 befassen. Trotz der Präsenz zahlreicher Initiativen fehlt es jedoch an einer zentralen Datenbank, die diese Tätigkeiten bündeln würde.
Erinnern als gesellschaftliche Verpflichtung
Die zentrale Rolle des Erinnerns wird auch von Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte, unterstrichen. Sie betont, dass das Gedenken an alle Opfer des Nationalsozialismus eine Verpflichtung für Staat und Gesellschaft in Deutschland darstellt. Dies umfasst nicht nur jüdische Menschen, sondern auch Sinti*zze, Rom*nja, Menschen mit Behinderungen sowie Angehörige sexueller und geschlechtlicher Minderheiten. Der historische Rückblick ist eine Mahnung zur Wachsamkeit gegen Bestrebungen, die Menschenwürde und -rechte zu leugnen.
Dem Gedenken kommt eine erhöhte Bedeutung in der politischen Bildung zu, an dessen Stelle ein verlässliches Grundkonsens über die Werte der Demokratie und Menschenrechte steht. Diese Prinzipien sind Teil des Grundgesetzes, welches Mittel zum Schutz der Demokratie vorsieht. Für den Schutz dieser Werte ist eine Solidarität über parteipolitische Gegensätze hinweg essenziell.
Erinnerungskultur und die Zukunft
Die deutsche Erinnerungskultur hat sich über die Jahre transformiert, wobei der Schwerpunkt auf einer historisch-moralischen Bildung liegt. Ziel ist es, die traumatischen Ereignisse des Nationalsozialismus und des Holocausts verständlich zu machen. Während sich die Gesellschaft dem Holocaust und dem Zweiten Weltkrieg intensiv widmet, wird die Frage nach einem „europäischen Gedächtnis“ immer relevanter. Dies betrifft nicht nur den Umgang mit der Vergangenheit, sondern auch aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen.
Die Erinnerung sollte jedoch nicht nur auf die Vergangenheit fokussiert bleiben. Reflexive Ansätze müssen dabei helfen, gegenwärtige und zukünftige Perspektiven zu integrieren. Eine innovative Erinnerungskultur sollte die Teilnehmenden aktiv in die Auseinandersetzung mit Geschichte einbeziehen, um sie mutig und verantwortungsvoll in die Gestaltung ihrer Umgebung einzubinden. Hierzu gehört auch die Nutzung elektronischer Medien und interaktiver Formate, um jüngere Generationen gerecht zu werden.
Es zeigt sich, dass in Deutschland der Bedarf an neuen Wegen der Geschichtsvermittlung eindeutig vorhanden ist. Der Wandel in der Wahrnehmung und Aneignung von Geschichte durch die kommenden Generationen erfordert eine Anpassung der Erinnerungs- und Vermittlungspraxis. Erinnern sollte als eine zivilgesellschaftliche Angelegenheit betrachtet werden, die über den zeitlichen Rahmen der Vergangenheit hinausweist und Orientierung für zukünftiges Handeln bietet.