Die Hamburgische Bürgerschaft hat ein Forschungsteam beauftragt, den NSU-Mord an Süleyman Taşköprü wissenschaftlich aufzuarbeiten. Taşköprü wurde am 27. Juni 2001 im Obst- und Gemüseladen seines Vaters in Hamburg-Bahrenfeld von den rechtsextremen Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt erschossen. Er war 31 Jahre alt und hinterließ eine Frau sowie eine kleine Tochter. Taşköprü war eines von insgesamt zehn Mordopfern des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), das zwischen 2000 und 2007 in Deutschland mordete und insbesondere Menschen mit Migrationshintergrund ins Visier nahm. Diese Mordserie umfasste neben Taşköprü acht türkischstämmige und einen griechischstämmigen Kleinunternehmer sowie eine Polizistin.

Die Ermittlungen der Sicherheitsbehörden wurden in der Anfangsphase als unzureichend kritisiert, da zunächst im Umfeld der Opfer ermittelt wurde und die Verbindung zwischen den Taten lange nicht erkannt wurde. Die Forschungsarbeit in Hamburg ist besonders, da es im Gegensatz zu anderen Bundesländern keine parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zur Aufarbeitung gab. Hamburg ist das einzige Bundesland, in dem der NSU gemordet hat, ohne dass ein solcher Ausschuss die Morde untersucht hat. Die wissenschaftliche Aufarbeitung wurde bereits 2023 von der Bürgerschaft beschlossen und soll voraussichtlich drei Jahre in Anspruch nehmen.

Wissenschaftliche Herangehensweise

Das Forschungsteam wird von Constantin Goschler von der Ruhr-Universität Bochum geleitet und besteht aus Daniela Hunold (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin), Charlotte Schmitt-Leonardy (Universität Bielefeld) und Wolfgang Seibel (Universität Konstanz). Diese Forscher haben Zugang zu Hunderten von Aktenordnern, darunter 500 Akten mit 250.000 Blatt vom Landesamt für Verfassungsschutz. Ziel der Studie ist es, die polizeilichen Ermittlungen und die strafrechtliche Aufarbeitung des Mordes im stadtgeschichtlichen und bundesweiten Kontext zu analysieren.

Ein zentraler Aspekt der Untersuchung ist die Frage, warum die Ermittlungen so lange in die falsche Richtung zielten und weshalb die türkische Familie des Opfers zunächst verdächtigt wurde. Goschler betonte, dass es bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung nicht darum gehe, Schuldige zu benennen, sondern ein tieferes Verständnis für die damaligen Ermittlungs- und Kommunikationsstrukturen zu gewinnen. Gespräche mit Betroffenen und mit Beteiligten sind ebenfalls geplant, um einen umfassenden Einblick in die damaligen Umstände zu erhalten.

Finanzierung und politische Einigung

Vor der bevorstehenden Wahl am 2. März 2025 muss die Bürgerschaft 900.000 Euro an Forschungsgeldern freigeben, um die wissenschaftliche Aufarbeitung zu finanzieren. Die Einigung über die Aufarbeitung fand parteiübergreifend statt, mit Ausnahme der AfD. Damit verfolgt Hamburg einen neuen, eigenständigen Ansatz zur Aufarbeitung der NSU-Morde, der sich von den bestehenden parlamentarischen Untersuchungsausschüssen in anderen Bundesländern unterscheidet.

In der Erinnerungskultur bleibt Süleyman Taşköprü präsent, da eine Straße in Bahrenfeld seinen Namen trägt. Hatten die Behörden bisher versäumt, den gemeinsamen Kontext rechter Gewalttaten und Terrorismus angemessen zu analysieren, wird nun mit dieser Forschung ein Schritt in Richtung einer umfassenden und ehrlichen Auseinandersetzung angestrebt. Die Stadt Hamburg zeigt damit, dass sie gewillt ist, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und zukünftige Gewalt gegen Menschen mit Migrationshintergrund zu verhindern.