Die Verhaftung des libyschen Milizführers Najeem Osama Almasri in Italien hat für Aufsehen gesorgt und wirft ein Schlaglicht auf die komplexe Situation in Libyen sowie die Verstrickung europäischer Länder in die dortigen Geschehnisse. Almasri, der als Folterknecht gilt und nicht offiziell als Funktionär der libyschen Regierung fungiert, wurde in Turin festgenommen, nachdem er ein Fußballspiel besucht hatte. Sein Haftbefehl wurde vom Internationalen Strafgerichtshof aufgrund von Verbrechen gegen die Menschlichkeit erlassen. Laut Berichten habe er in einem Folterlager in Mitiga Migranten gefoltert, vergewaltigt und in einem Fall sogar ermordet. Er war einen Tag vor seiner Festnahme aus Deutschland eingereist, wobei unklar bleibt, ob die deutschen Behörden informiert waren.
Bereits drei Tage nach seiner Verhaftung wurde Almasri jedoch von der italienischen Justiz freigelassen und nicht abgeschoben. Stattdessen trat er seinen Rückflug nach Tripolis an Bord eines Falcon-Jets der italienischen Luftwaffe an. Die Begründung für die Freilassung beruhte auf einem Formfehler, da Justizminister Carlo Nordio den Haftbefehl nicht bestätigt hatte. Diese Entscheidung hat in der italienischen Opposition für Verwirrung und Misstrauen gesorgt, da sie an der Glaubwürdigkeit der Angaben zweifeln. Dem Internationalen Strafgerichtshof zufolge waren die italienischen Behörden jedoch über den Haftbefehl informiert, was die Situation weiter kompliziert.
Wirtschaftliche Interessen und Menschenrechtsverletzungen
Italien hat strategische wirtschaftliche Interessen in Libyen, insbesondere im Erdgas- und Erdölsektor. Diese Interessen haben dazu geführt, dass die italienische Marine die libysche Küstenwache unterstützt, um Migrantenabfahrten zu verhindern. Diese Zusammenarbeit geschieht in einem Kontext, in dem libysche Behörden und Küstenwachen eng mit Milizen kooperieren, die für die Rückführung von Migranten in Folterlager verantwortlich sind. Insbesondere die Rada-Miliz, zu der auch Almasri gehört, spielt eine Schlüsselrolle beim Steuern des Migrantenflusses.
Der Umgang mit Migranten in Libyen ist seit Jahren von schwersten Menschenrechtsverletzungen geprägt. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht der unabhängigen Ermittlungsmission für Libyen dokumentiert willkürliche Inhaftierungen, Folter, sexualisierte Gewalt sowie gezielte Morde. Seit 2011 haben sich die Bedingungen für Migranten in Libyen drastisch verschlechtert, und sie sind extrem gefährdet, wenn sie in offizielle oder inoffizielle Haftanstalten gelangen. Die Mission stellte fest, dass die Haftbedingungen für über 18.000 inhaftierte Personen als prekär bis grausam gelten.
Kritik an internationalen Abkommen
Die politischen Abkommen zwischen Italien und Libyen werden von Menschenrechtsorganisationen kritisiert. Ein Migrationspakt zwischen Rom und Tripolis führte zu einer drastischen Reduktion der Anlandungen in Italien und wurde von der EU unterstützt. Kritiker argumentieren, dass solche Abkommen die Rückkehr von Migranten in gefährliche Situationen in Libyen begünstigen, wo sie schwersten Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind. Der jüngste UN-Bericht über die systematischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Libyen verstärkt die Forderungen nach einer umfassenden Aufklärung und Rechenschaft für die Verantwortlichen dieser Vergehen.
Es steht außer Frage, dass die internationale Gemeinschaft, einschließlich der EU, ihre politischen Strategien überprüfen muss, um sicherzustellen, dass sie mit den Menschenrechten im Einklang stehen. Der anhaltende Konflikt in Libyen und die damit verbundenen Gewaltorgien erfordern eine kritische Auseinandersetzung mit den internationalen Verpflichtungen und dem Umgang mit Migranten.