Heute, am 13. Januar 2025, gab Prof. Dr. Constanze Spieß von der Philipps-Universität Marburg das Unwort des Jahres 2024 bekannt: „biodeutsch“. Dieser Begriff hat sich im öffentlichen Sprachgebrauch fest etabliert, insbesondere in sozialen Medien, wo er oft zur Abwertung von Personen mit Migrationsbiographie verwendet wird. Ursprünglich als ironischer Ausdruck gedacht, hat sich seine Verwendung jedoch gewandelt, und er wird zunehmend ernsthaft benutzt. Der Begriff konstruiert eine rassistische, biologistische Sichtweise auf Nationalität und ist Teil einer gefährlichen Diskussion über die vermeintliche „Reinheit“ von Herkunft und Abstammung.
Die Jury der Aktion „Unwort des Jahres“ betont in ihren Erklärungen, dass „biodeutsch“ eine klare Abgrenzung zwischen „echten“ Deutschen und Menschen mit Migrationshintergrund zieht, was als Form des Alltagsrassismus kritisiert wird. Prof. Dr. Constanze Spieß erklärt dazu, dass diese Entwicklung besonders besorgniserregend ist, da sie im Widerspruch zu den Grundwerten der Menschenwürde und der Gleichheit steht. In der statistischen Auswertung der Einsendungen zu den Unwörtern des Jahres wurden insgesamt 3172 Vorschläge gesammelt, wobei 655 verschiedene Ausdrücke genannt wurden. Der Begriff „biodeutsch“ erhielt dabei 10 Stimmen.
Einblicke in die Unwortwahl
Das zweitplatzierte Unwort, „Heizungsverbot“, wird als irreführend im Kontext des neuen Gebäudeenergiegesetzes kritisiert, welches ab dem 1. Januar 2024 in Kraft trat. Dieses Gesetz verbietet nicht das Heizen an sich, sondern reglementiert den Neueinbau fossiler Heizsysteme. Die zahlreichen Einsendungen zeugen von einem großen Interesse der Öffentlichkeit an einer kritischen Auseinandersetzung mit Sprache und deren Auswirkungen. Unter den Vorschlägen fanden sich auch Begriffe wie „Nutztier“ mit 1227 Einsendungen und „Remigration“ mit 23.
Ein besonders besorgniserregender Unterton legt sich über die Wahl mit den persönlichen Unwörtern der Jury-Mitglieder. So fand der Begriff „importierter Antisemitismus“ Erwähnung, welcher insbesondere in rechten Kreisen dazu verwendet wird, Antisemitismus mit der Zuwanderung von Menschen aus arabischen Ländern in Verbindung zu bringen. Diese Form der Ausgrenzung ist nicht nur diskriminierend, sondern spiegelt auch eine tiefere gesellschaftliche Problematik wider, die laut den Mitgliedern der Jury dringend adressiert werden muss.
Diskriminierung in Deutschland
Die aktuellen Debatten um diskriminierende Sprachverwendung finden einen ernsten Hintergrund in den Zahlen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die für den Zeitraum 2021 bis 2023 über 20.600 Fälle von Diskriminierung registrierte. Die häufigsten Gründe für Diskriminierung sind ethnische Herkunft, Geschlecht und Religion. Diese besorgniserregenden Daten werfen ein Licht auf das Phänomen des Alltagsrassismus, das durch Begriffe wie „biodeutsch“ verstärkt wird. Ferda Ataman, die Antidiskriminierungsbeauftragte, hatte in einer Kolumne bereits auf die problematische Verwendung des Begriffs hingewiesen und ihn 2020 selbst verwendet.
Der Bericht zur Antidiskriminierung stellt klar, dass der Schutz vor Diskriminierung in Deutschland reformiert werden muss. Forderungen umfassen den Schutz vor Diskriminierung durch staatliche Stellen und die Schließung von Schutzlücken, insbesondere gegen Rassismus und Antisemitismus. Die Situation ist alarmierend – laut Schätzungen berichten zwischen 16 und 30 Prozent der Bevölkerung von diskriminierenden Erfahrungen. Es ist offensichtlich, dass die gesellschaftliche Debatte über diskriminierende Sprache eine breitere Diskussion über die grundelage von Gleichheit und Menschenrechten in Deutschland begünstigen sollte.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass Aufmerksamkeit für diskriminierende Begriffe und deren Auswirkungen essenziell ist, um langfristig mehr Akzeptanz und Integration in der Gesellschaft zu fördern. Die Unwortwahl ist dabei nicht nur ein sprachlicher Akt, sondern ein wichtiger Schritt in einer notwendigen Debatte über Rassismus und Diskriminierung.
Die vollständige Liste der Unwörter sowie weitere Informationen sind auf den Seiten der Philipps-Universität Marburg und der Tagesschau einsehbar. Weitere Details zu den Diskriminierungsfällen finden Sie auf der seite der Antidiskriminierungsstelle.