Am 11. Februar 2025 kam Thomas Großbölting, ein renommierter Historiker und Experte für die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche, bei einem tragischen Zugunglück in der Nähe von Hamburg ums Leben. Er war auf dem Weg nach Köln, um an der Talkreihe „frank&frei“ des „Kölner Stadt-Anzeiger“ teilzunehmen. Laut ksta.de wartete Joachim Frank, Chefkorrespondent des Kölner Stadt-Anzeiger, auf Großbölting und war sichtlich betroffen von den Nachrichten über das Unglück.

Großbölting war 1969 in der Nähe von Bocholt geboren und hatte Geschichte, katholische Theologie und Germanistik an der Universität Münster studiert. Seine Dissertation beleuchtet die Geschichte des Bürgertums in Magdeburg und Halle zur Zeit der DDR. Für seine hervorragende Forschungsarbeit, insbesondere hinsichtlich des Themas sexueller Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche, wurde er weithin anerkannt. Er war unter anderem Direktor der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg und Professor für Neuere Geschichte/Zeitgeschichte an der Universität Hamburg.

Trauergemeinschaft und Abschied

Sein Tod hat große Bestürzung ausgelöst, insbesondere unter den Betroffenen sexualisierter Gewalt. Großbölting war maßgeblich an der „Forum“-Studie der EKD beteiligt und verfolgte die unabhängige Aufklärung von Verbrechen im Auftrag des Bischofs. Ein Bischof Felix Genn äußerte sich betroffen über seinen Tod und hob hervor, wie wichtig Großböltings Arbeit für die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen war. Die Ergebnisse dieser Studien deckten ein systematisches Muster von Missbrauch und Vertuschung auf, das zahlreiche Opfer betraf, wie tagesschau.de berichtet.

Großbölting hinterlässt eine Frau und vier Kinder. Sein Kollege Klaus Große Kracht würdigte in einer Stellungnahme seine bedeutenden Leistungen und den Einfluß, den er auf die zeitgeschichtliche Forschung hatte. Sein Engagement um das Thema des sexuellen Missbrauchs in der Kirche war einzigartig und die Betroffenen sehen sein Ableben als eine Katastrophe. Der Zug, in dem er gereist ist, hatte zuvor mit einem Sattelschlepper kollidiert, was zu diesem tragischen Vorfall führte.

Umfangreiche Aufklärungsarbeit

Die vielfältige und bedeutende Forschung Großböltings umfasste auch die Aufzeichnungen über die katholische Reformdebatte nach dem Zweiten Vatikanum und die Religionsentwicklung in Deutschland seit 1945. Sein Buch „Wiedervereinigungsgesellschaft. Aufbruch und Entgrenzung in Deutschland seit 1990“, veröffentlicht 2020, spiegelt sein Engagement für die historische Aufarbeitung wider und beschäftigt sich mit der Thematik der Wiedervereinigung und deren Soziodynamiken.

In den letzten Jahren wird besonders auf die Aufarbeitungsstudien rund um den Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche verwiesen. Diese Berichterstattung wurde durch umfassende Veröffentlichungen, wie etwa von der Deutschen Bischofskonferenz, begleitet. Zum Jahr 2010, als manche Missbrauchsfälle in Deutschland publik wurden, führte die Berichterstattung zu einem besorgniserregenden Verlust an Ansehen und Glaubwürdigkeit für die Kirche, was sich bis heute fortsetzt deutschlandfunk.de.

Großböltings plötzlicher Tod markiert einen tiefen Verlust für die Historiographie, die Aufarbeitung von Missbrauch und die wissenschaftliche Gemeinschaft. Sein Erbe wird weiterhin in der Forschung und im Kampf um Gerechtigkeit für die Betroffenen von Missbrauch leben.