Am 28. Januar 2025 verstarb Dr. Tamila Kyrylova, eine bemerkenswerte akademische Persönlichkeit und ehemalige Gastwissenschaftlerin an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Ihre Lebensgeschichte spiegelt die Herausforderungen und den Mut wider, die viele geflüchtete Menschen erleben. Kyrylova und ihre Schwester Laryssa verließen die Ukraine nach den ersten Bombenangriffen auf Kyjiv, ausgestattet mit nur Laptops und kleinen Rucksäcken. Sie war 1981 in Żovtneve geboren und hatte bereits früh eine Leidenschaft für die deutsche Sprache entwickelt. Im Alter von sieben Jahren begann sie, Deutsch zu lernen, und zeigte besonderes Interesse an Frankfurt (Oder).
Nach ihrer Ankunft in Deutschland erhielt Kyrylova ein Stipendium der VolkswagenStiftung durch den Axel Springer-Lehrstuhl für deutsch-jüdische Literatur- und Kulturgeschichte an der Europa-Universität Viadrina. Ihre akademische Laufbahn begann mit dem Studium der Germanistik, das sie an der Nationalen Linguistischen Universität in Kyjiv abschloss. 2014 promovierte sie und thematisierte in ihrer Dissertation die Repräsentation weiblicher Subjektivität in der Prosa von renommierten Autorinnen wie Herta Müller und Monika Maron.
Engagement und Aktivitäten
Kyrylova engagierte sich nicht nur akademisch, sondern auch sozial. Sie arbeitete als Deutschlehrerin in verschiedenen Bildungseinrichtungen, darunter die Grundschule Mitte und die Quirito Academy GmbH in Frankfurt (Oder). Überdies war sie aktiv im Oekumenischen Europa-Centrum und setzte sich für geflüchtete Ukrainer in städtischen Einrichtungen ein. In der ukrainischen Community in Frankfurt (Oder) organisierte sie Benefizkonzerte und Lesungen, stets motiviert von ihrem Motto: „Keine Sorge, wir werden es schaffen.”
Sie hinterlässt ein bedeutendes Erbe, sowohl in der Wissenschaft als auch in der Gemeinschaft. Ihre Nähe zur Literatur zeigte sich auch in zahlreichen Publikationen, darunter Arbeiten zu Geschlechtermarkierungen und historischen Narrative in der deutschen Literatur. Zu ihren bekanntesten Schriften zählen Beiträge zu den Werken von Herta Müller und Jenny Erpenbeck, die zur Diskussion über weibliche Identität und nationale Geschichte anregen.
Ein schockierender Verlust
Der plötzliche Tod von Kyrylova ist ein schwerer Verlust für alle, die sie kannten. Bei einem Brand kämpfte sie bis zur letzten Minute um ihr Leben. Die Europa-Universität Viadrina sowie die Gemeinschaft drücken den Angehörigen, insbesondere ihrer Mutter Olga und ihrer Schwester Laryssa, ihr tiefstes Beileid aus. In Anbetracht der finanziellen Belastung ihrer Familie als Geflüchtete in Frankfurt (Oder) wird ein Spendenaufruf für die Beerdigungskosten gestartet.
In der breiteren kulturellen Diskussion manifestiert sich auch der Einfluss der ukrainischen Literatur und Kultur im deutschsprachigen Raum, insbesondere im Kontext der Beziehungen zwischen Deutschland und der früheren Sowjetunion. In den 1970er Jahren gab es erste Anzeichen eines Kulturaustausches zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik Deutschland, wobei auch ukrainische Literatur eine Rolle spielte. Diese Entwicklungen zeigen, wie Literaturbeziehungen oft politischen und historischen Bedingungen unterlagen. Literatur war und ist ein wichtiges Bindeglied zwischen Kulturen und bietet Sichtbarkeit für die Geschichten der geflüchteten Literaten, wie im Fall von Dr. Tamila Kyrylova, die ihr Leben der Förderung und der Unterstützung durch Sprache gewidmet hat.