Die Suche nach einem Therapieplatz in Deutschland gestaltet sich als zunehmend schwierig und belastend. Eine große Nachfrage nach kassenfinanzierten Therapieplätzen führt zu langen Wartezeiten, was nicht nur die Betroffenen frustriert, sondern auch Fachleute auf den Plan ruft. Immer mehr Stimmen fordern den Ausbau psychotherapeutischer Praxen, um der angespannten Situation entgegenzuwirken, wie MAZ berichtet.

In den letzten 15 Jahren hat sich die Anzahl der psychotherapeutischen Einrichtungen in Deutschland nahezu verdoppelt. Von 2006 bis 2022 stieg die Zahl der ambulanten Einrichtungen von 21.500 auf 42.800. Dabei wuchs auch die Anzahl der Niederlassungen von Psychotherapeuten von 16.459 auf 37.280. Trotz dieser Zunahme bleibt die Verbreitung psychischer Störungen und Depressionen in der Bevölkerung konstant bei rund 28% (RKI). Besonders häufig sind Angststörungen, die etwa 15% der Diagnosen ausmachen.

Herausforderungen bei der Therapieplatzsuche

Eine der häufigsten Diagnosen in den Praxen ist die Anpassungsstörung, die oft als Reaktion auf belastende Lebensereignisse auftritt. Fachleute wie Marcus Roth und Gisela Steins hinterfragen jedoch die Notwendigkeit zusätzlicher Therapieplätze. Roth weist darauf hin, dass die Therapieplätze möglicherweise von Menschen in Anspruch genommen werden, die weniger dringenden Bedarf haben. Eine Anpassungsstörung bildet sich in der Regel innerhalb von sechs Monaten zurück.

Diese Diskrepanz wirft die Frage auf, ob nicht mehr niedrigschwellige Angebote für weniger schwere Fälle notwendig sind. Eva-Lotta Brakemeier erklärt, dass die allgemeine Belastung der Menschen durch Faktoren wie die Coronapandemie und globale Krisen zunimmt, was in der Folge auch die Krankheitsfälle belastet. Gemeinsam mit Roth unterstützt sie den Ausbau solcher Angebote.

Psychologisierung der Gesellschaft und ihre Folgen

Ein weiterer Aspekt, der in der Diskussion hervorgehoben wird, ist die sogenannten Psychologisierung der Gesellschaft. Roth und Steins vermuten, dass alltägliche Probleme oft als psychische Störungen klassifiziert werden, was zu einer Überlastung der Therapieplätze führen könnte. Dieser Umstand könnte es erschweren, dass extrem leidende Menschen die notwendige Hilfe erhalten, da sie in der Fülle von Diagnosen kaum gehört werden. Studien belegen zudem, dass Anpassungsstörungen mit einem erhöhten Suizidrisiko einhergehen, was die Dringlichkeit der Problematik unterstreicht.

Die Forschung zeigt, dass der Zugang zu Therapieplätzen für schwerdepressive Menschen besonders herausfordernd ist. Eine Herausforderung, die sowohl die Politik als auch das Gesundheitssystem vor neue Aufgaben stellt. Die Ausweitung des Angebots an Therapieplätzen und die Stärkung der niedrigschwelligen Versorgungsangebote werden als notwendige Maßnahmen angesehen, um den aktuellen Herausforderungen adäquat zu begegnen.Bundestag und RKI unterstützen diese Sichtweise und liefern weitere Daten zur psychotherapeutischen Versorgung.