Nach einem tragischen Vorfall in Stuttgart, bei dem ein 13-Jähriger einen 12-Jährigen gegen eine fahrende Stadtbahn stieß, wird die Diskussion um die Altersgrenze für die Strafmündigkeit in Deutschland neu entfacht. Vor diesem Hintergrund fordert die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU) eine Prüfung der bestehenden Regelungen. Aktuell können Kinder erst ab 14 Jahren strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, was Gentges als nicht zeitgemäß erachtet und kritisch hinterfragt, ob diese Regelung weiterhin sinnvoll ist. SWR berichtet, dass Gentges auf die prekäre Situation aufmerksam macht, dass Kinder unter 14 Jahren vom rechtlichen Zugriff ausgeschlossen sind.

Gentges äußert zudem, dass es naiv sei zu glauben, dass Kinder, die schwere Gewaltstraftaten begehen, dieses Verhalten mit 14 Jahren ablegen. Die Diskussion um eine Senkung der Strafmündigkeit gewinnt an Fahrt, da bereits im vergangenen Jahr eine Initiative zur Untersuchung der Altersgrenze gescheitert ist, trotz Unterstützung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Ein weiterer besorgniserregender Aspekt ist der Anstieg tatverdächtiger Kinder unter 14 Jahren in den letzten Jahren. Im Jahr 2023 wurden in Baden-Württemberg 10.610 Tatverdächtige unter 14 Jahren verzeichnet, was einem Anstieg von 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht.

Anstieg der Gewaltkriminalität bei Kindern

Die Polizeiliche Kriminalstatistik für 2023 zeigt einen alarmierenden Anstieg der Gewaltkriminalität bei Kindern unter 14 Jahren um 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Laut WDR ist auch die Zahl der Tatverdächtigen unter Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren um 14,4 Prozent gestiegen. Solche Entwicklungen werfen Fragen über die Wirksamkeit des aktuellen rechtlichen Rahmens auf. Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, unterstützt die Senkung des Alters für die Strafmündigkeit und betont die Notwendigkeit, frühzeitig auf straffällig gewordene Kinder einzuwirken.

Allerdings gibt es auch kritische Stimmen. Professor Gerd Schulte-Körne von der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des LMU Klinikums München warnt davor, die Altersgrenze herabzusetzen. Er betont, dass Kinder in der Lage sein müssten, die langfristigen Folgen ihrer Taten zu verstehen, um eine Verhaltensänderung zu bewirken. Die Diskussion zeigt, wie polarisiert das Thema ist und dass es unterschiedliche Ansichten darüber gibt, welche Maßnahmen notwendig sind, um auf steigende Gewalttaten und das Verhalten junger Menschen zu reagieren.

Gesetzeslage und zukünftige Entwicklungen

In Deutschland regelt der Paragraph 19 des Strafgesetzbuches die Strafmündigkeit und besagt, dass Kinder unter 14 Jahren „schuldunfähig“ sind, was bedeutet, dass sie strafrechtlich nicht belangt werden können. Diese Rechtslage ist jedoch angesichts der steigenden Gewalttaten unter jungen Menschen zunehmend umstritten. Gentges spricht sich dafür aus, die Altersgrenze wissenschaftlich zu überprüfen und fordert von Bund und Ländern, in dieser Sache aktiv zu werden.

Umfassende Statistiken zeigen, dass im Jahr 2023 die Gesamtzahl der erfassten Straftaten in Deutschland um 5,5 Prozent angestiegen ist. Besonders das Hellfeld der Kriminalität – die Fälle, die tatsächlich der Polizei bekannt werden – ist betroffen. Die Gewaltkriminalität allein erreichte 2023 mit 214.099 Fällen den höchsten Stand seit 2007. In Anbetracht dieser Entwicklungen könnte die Politik gezwungen sein, ihre Gesetze und Regelungen zu überdenken, um auf die wachsenden Herausforderungen im Bereich der Jugendkriminalität angemessen zu reagieren.