Augenbewegungen, Pupillengröße und Augenblinzeln könnten entscheidende Frühwarnzeichen für neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson sein. Dies ergab eine aktuelle Studie der Marburger Universitätsmedizin, geleitet von Prof. Dr. Wolfgang Oertel und Dr. Mahboubeh Habibi. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin Journal of Parkinson’s Disease veröffentlicht und werfen neues Licht auf die Möglichkeiten der Diagnostik dieser schweren Erkrankungen.
Die Relevanz dieser Forschung liegt in dem stetig steigenden Anstieg neurodegenerativer Erkrankungen, insbesondere Parkinson und der Multi-System-Atrophie (MSA). Die frühe Unterscheidung zwischen diesen und ähnlichen Störungen stellt eine große Herausforderung dar. Eine präzise Diagnose ist jedoch entscheidend für die Entwicklung effektiver Behandlungsmethoden zur Verlangsamung des Krankheitsfortschritts.
Die Rolle der Augenbewegungen
Wie die Studie zeigt, können nicht-invasive Messungen von Augenbewegungen zur frühzeitigen Erkennung von Parkinson und verwanten Erkrankungen beitragen. Im Rahmen der Untersuchung wurde das Augenbewegungsverhalten von Parkinson-Patienten, MSA-Patienten, Personen mit isolierter REM-Schlafverhaltensstörung (iRBD) sowie gesunden Kontrollen verglichen. Menschen mit iRBD gelten als Risikopersonen für die Entwicklung von Parkinson oder MSA.
Die Untersuchung ergab signifikante Unterschiede in den Augenbewegungen sowie abnormale Pupillenreaktionen bei Parkinson- und MSA-Patienten im Vergleich zu den Kontrollprobanden. Zudem zeigten iRBD-Patienten ähnliche Veränderungen der Pupillengröße wie Parkinson-Patienten. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass die Analyse von Augenbewegungen wertvolle diagnostische Hinweise liefern kann, um Risikopersonen zu identifizieren und das Fortschreiten der Erkrankungen zu überwachen.
Neurodegenerative Erkrankungen und Augenbewegungsstörungen
Störungen der Augenbewegungen sind ein oft übersehener Indikator für neurologische Erkrankungen. Laut medizinischer Fachliteratur sind Augenbewegungsstörungen und Nystagmus häufig bei neurologischen, HNO-ärztlichen sowie ophthalmologischen Erkrankungen zu beobachten. Die systematische klinische Untersuchung der Augenbewegungen ermöglicht eine Differenzierung zwischen zentralen und peripheren Störungen. Oftmals sind diese Störungen empfindlicher als herkömmliche bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT).
Die verschiedenen Arten der Augenbewegungen – einschließlich Sakkaden, Fixation und Nystagmus – können durch spezifische Läsionen im Gehirn beeinflusst werden. Eine Untersuchung der Augenbewegungen bietet daher wesentliche Erkenntnisse zur Abklärung neurodegenerativer Erkrankungen. Beispiele für solche Störungen sind beispielsweise Sakkadenanomalien, wobei Parkinson-Patienten häufig unter verlangsamten oder ungenauen Augenbewegungen leiden.
Innovative Diagnoseansätze durch Eye Tracking
Moderne Technologien im Bereich des Eye Trackings eröffnen neue Perspektiven für die Diagnose neurodegenerativer Erkrankungen. Mit der Entwicklung präziser quantitativer Metriken lassen sich Augenbewegungsstörungen schnell und mit geringer subjektiver Variabilität erfassen. Solche nicht-invasiven Tests erweisen sich als nützlich, um Zustände wie die von Alzheimer, Parkinson und atypischem Parkinsonismus differenziert zu beurteilen.
Die Forschung im Bereich der Augenbewegungsuntersuchungen könnte darüber hinaus dazu beitragen, neue Therapiemöglichkeiten effektiver zu testen. Um dies zu realisieren, ist eine umfassende Synthese klinischer und experimenteller Befunde erforderlich, um Augenbewegungen als diagnostisches Werkzeug in die klinische Praxis zu integrieren.
Die Studie, die im Rahmen eines Internationalen Graduiertenkollegs in Zusammenarbeit mit Kanada entstand, demonstriert eindrücklich, wie wichtig die Augenbewegungen für die neurologische Diagnostik sind. Sie könnten Schlüssel zur Identifizierung von Risikopersonen bieten und neue Möglichkeiten in der Therapie neurodegenerativer Erkrankungen eröffnen.