Das Thema Sterbehilfe und assistierter Suizid steht in Deutschland und anderen Ländern derzeit im Fokus intensiver Diskussionen und rechtlicher Überlegungen. Insbesondere nach dem wegweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor fünf Jahren, das die Strafbarkeit der Sterbehilfe unter bestimmten Bedingungen aufhob, stellt sich die Frage nach einem klaren rechtlichen Rahmen in Deutschland.

Wie rbb24 berichtet, hat der Bundestag bisher kein umfassendes Sterbehilfegesetz beschlossen, um möglichen Missbrauch vorzubeugen. Vor diesem Hintergrund fordert die 85-jährige Rosemarie Lowack, eine pensionierte Lehrerin und Mitglied der „Deutschen Gesellschaft für humanes Sterben“ (DGHS), ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben.

Rechtliche Entwicklungen und gesellschaftlicher Bedarf

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts können Ärzte Sterbehilfe leisten, sind jedoch nicht dazu verpflichtet. 2023 gab es zwei fraktionsübergreifende Vorschläge im Bundestag, die unterschiedliche Ansätze verfolgten. Der Vorschlag von Lars Castellucci (SPD) strebte an, geschäftsmäßige Sterbehilfe unter Strafe zu stellen und Schutzmaßnahmen für Menschen in Lebenskrisen einzuführen. Im Gegensatz dazu wollte Katrin Helling-Plahr (FDP) ein gesetzliches Recht auf Hilfe zur Selbsttötung festlegen und betonte die Notwendigkeit von Beratung und Prävention.

Beide Vorschläge beinhalteten den Zugang zu tödlich wirkenden Medikamenten sowie die Regulierung von Werbung für Sterbehilfe. Die aktuelle Debatte wird durch die steigende Zahl der „Freitodbegleitungen“ in Deutschland unterstrichen, die im Jahr 2024 auf 977 Fälle anstieg, was etwa 100 mehr als im Vorjahr bedeutet. Hinzu kommt, dass die Suizidrate in Deutschland 2023 mit rund 10.300 Suizidfällen einen Höchststand erreichte.

Expertenmeinungen zu Sterbehilfe und Suizidberatung

Winfried Hardinghaus, Vorsitzender des Deutschen Hospiz- und Palliativ-Verbandes, fordert verbindliche Regeln für die Suizidberatung, um eine bessere Unterstützung für Betroffene zu gewährleisten. Michael de Ridder, ein Palliativmediziner und Kläger vor dem Bundesverfassungsgericht, sieht hingegen keinen Bedarf für ein neues Sterbehilfegesetz und warnt vor möglichen negativen Folgen eines unregulierten Marktes für Sterbehilfe. Ein aktueller Fall zeigt, dass ein Arzt wegen mutmaßlicher Nichteinhaltung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts verurteilt wurde.

Die Situation in Deutschland wird in einem europäischen Kontext betrachtet, insbesondere in Österreich, wo der Verfassungsgerichtshof 2020 die Strafbarkeit der Beihilfe zum Suizid für verfassungswidrig erklärte und das Sterbeverfügungsgesetz in Kraft trat. Dieses Gesetz regelt die rechtlichen Rahmenbedingungen für assistierten Suizid und bietet eine Struktur, die die Autonomie schwerkranker Personen respektiert und zugleich Sicherheit für helfende Personen schafft.

Die Umsetzung der Sterbeverfügung erfordert eine fundierte Aufklärung durch Ärzte, wobei einer davon palliativ qualifiziert sein muss. Dabei muss unter anderem die Entscheidungsfähigkeit der betroffenen Person gegeben sein, was durch entsprechende ärztliche Gutachten gewährleistet wird. Im Gegensatz dazu bleibt die Hilfeleistung in bestimmten Fällen strafbar, etwa bei Minderjährigen oder ohne die erforderliche medizinische Aufklärung.

In München wurden zwischen 2020 und 2023 insgesamt 77 assistierte Suizide festgestellt, wobei ein Viertel der Patienten unter psychischen Erkrankungen litt. Diese Zahlen verdeutlichen die Notwendigkeit eines sensiblen und sachgerechten Umgangs mit Sterbehilfe und Suizid, um den Betroffenen eine würdevolle und selbstbestimmte Lebens- und Sterbeentscheidung zu ermöglichen.

Die Diskussion um Sterbehilfe ist komplex und vielschichtig, sie reicht von rechtlichen und ethischen Fragestellungen bis hin zu individuellen Bedürfnissen. Die Positionen variieren dabei stark und fordern einen gesellschaftlichen Dialog über die verschiedenen Perspektiven und möglichen gesetzlichen Regelungen.