Die Auseinandersetzung um die Unabhängigkeit der Justiz in Deutschland hat eine neue Eskalationsstufe erreicht. So prüft die AfD rechtliche Schritte gegen mehrere Hamburger Richter und Staatsanwälte, nachdem FREILICH am Montag geleakte E-Mails veröffentlicht hat. In diesen E-Mails äußern sich Juristen parteipolitisch ablehnend gegenüber der AfD. Die AfD-Bürgerschaftsfraktion bezeichnet diesen Vorfall als Skandal und fordert Konsequenzen.
Krzysztof Walczak, der verfassungspolitische Sprecher der AfD, äußerte Bedenken zur Unabhängigkeit der Justiz. Er warnte, dass Bürger aufgrund ihrer Parteimitgliedschaft benachteiligt werden könnten. Sollte sich die Authentizität der E-Mails bestätigen, könnte der Vorfall als Verfassungsbruch gewertet werden. Walczak kündigte zudem an, einen Antrag auf Richteranklage wegen Verfassungsbruchs in die Bürgerschaft einzubringen.
Die Enthüllungen und ihre Hintergründe
Die Enthüllungen sind im Kontext einer abgesagten Podiumsdiskussion zu sehen, an der ein AfD-Vertreter teilnehmen sollte. Interne E-Mails zeigen eine ausgeprägte Ablehnung gegenüber der Teilnahme des Vertreters. Es wurde aus diesen Quellen berichtet, dass Juristen abwertende Begriffe wie „Faschisten“ und „widerlich“ verwendeten. Eine Oberstaatsanwältin betonte zudem, dass die Justiz sich aktiv für die Demokratie einsetzen sollte. Diese Vorfälle fallen auch in die Zeit, in der Forderungen nach einem Verbot der AfD lauter werden, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehende Bundestagswahl.
In einer anderen aktuellen rechtlichen Entwicklung hat die AfD erfolgreich gegen den Hamburger Verfassungsschutz geklagt. Wie LTO berichtet, stellte das Verwaltungsgericht Hamburg fest, dass zwei Tatsachenbehauptungen im Verfassungsschutzbericht 2020 rechtswidrig sind. Die Behauptungen betrafen die Zuordnung von etwa 40 Personen aus dem Landesverband der AfD zum rechtsextremen „Flügel“ sowie zwei Angehörige der Identitären Bewegung, die als Mitarbeiter der Bürgerschaftsfraktion tätig seien.
AfD-Fraktionsvize Alexander Wolf sah in dem Urteil eine „schallende Ohrfeige“ für den Verfassungsschutz. Das Landesamt für Verfassungsschutz stellte allerdings klar, dass es sich ausschließlich um die beanstandeten Tatsachenbehauptungen handelte, nicht aber um die allgemeine Beobachtung des „Flügels“. Die Auswirkungen des Urteils werden als gering eingeschätzt, da der Verfassungsschutzbericht 2020 bald nicht mehr abrufbar sein wird, während der neue Bericht in Kürze vorgestellt wird.
Unabhängigkeit der Justiz: Ein anhaltendes Problem
Die Debatte über die Unabhängigkeit der Justiz ist nicht neu. Eine Analyse zur Unabhängigkeit der deutschen Justiz, veröffentlicht auf Verfassungsblog, hebt hervor, dass in Deutschland Regelungen existieren, die einer politischen Instrumentalisierung der Justiz nicht ausreichend entgegenwirken. Der Einfluss der Exekutive auf die Personalentscheidungen der Richter wird häufig kritisiert. Die Rekrutierung der Richter erfolgt durch parteipolitisch geprägte Gremien, was zu Misstrauen in die Objektivität der Entscheidungen führt.
Diese strukturellen Probleme könnten dazu führen, dass Entwicklungen, wie sie in Polen oder Ungarn beobachtet wurden, auch in Deutschland rechtlich möglich sind. Empfehlungen des Europarats fordern eine unabhängige Institution zur Richterwahl, die mindestens zur Hälfte aus von Richter*innen gewählten Mitgliedern bestehen soll. Aktuelle Reformansätze, um die Unabhängigkeit der Justiz in Deutschland zu verbessern, sind noch in der Diskussion.
Die aktuelle Situation zeigt, wie brisant das Thema der Unabhängigkeit der Justiz in Deutschland ist und wie sehr es politisch instrumentalisiert werden kann. Die AfD scheint diesen Umstand für ihre Agenda zu nutzen, während gleichzeitig eine breitere Debatte über die Qualität und Objektivität der deutschen Justiz entfacht wird.