In einem wegweisenden Beschluss hat die Stadt Schwerin als erste deutsche Kommune Arbeitslose zur Arbeit verpflichtet. Dieses neue Regelwerk betrifft insbesondere Bürgergeld-Empfänger und wurde Mitte Dezember vom Stadtrat beschlossen. Bislang sah das Sozialgesetzbuch zwar Arbeitsgelegenheiten für Bürgergeld-Empfänger vor, jedoch gab es keine Pflicht zur Annahme dieser Angebote. Der ursprüngliche Antrag bezog sich ausschließlich auf Asylbewerber, wurde jedoch später auf alle Bürgergeld-Empfänger ausgeweitet. Dieser Schritt wurde in einer Abstimmung mit 24 Ja-Stimmen, 16 Nein-Stimmen und einer Enthaltung verabschiedet.

Die Verpflichtung zur Arbeit ist im Asylbewerberleistungsgesetz und im Sozialgesetzbuch verankert, war jedoch in der Praxis nicht verpflichtend. Oberbürgermeister Rico Badenschier hat den Beschluss als „unwirksam“ kritisiert und betont, dass es alternative Wege zur dauerhaften Beschäftigung gebe. Er stellte zudem Fragen zu den hohen Personalaufwänden und Kosten, die mit der Umsetzung verbunden sein könnten. Die SPD-Fraktion in Schwerin lehnt den Beschluss ab und hält die Maßnahmen für nicht durchführbar.

Gegenseitige Anforderungen und Anreize

Die CDU, angeführt von Fraktionschef Gert Rudolf, sieht in der neuen Regelung eine notwendige Gegenleistung für staatliche Leistungen. Der Bürgermeister und die SPD betrachten diesen Ansatz als antriebsduschelich, wobei Badenschier unterstrich, dass es nicht darum gehen solle, Menschen „zu parken“, sondern sie sinnvoll zu beschäftigen. Bürgergeld-Empfänger sollen künftig bei gemeinnützigen Trägern, wie Vereinen und Schulen, arbeiten. Die Entlohnung für diese Arbeitsgelegenheiten wird zwischen einem und zwei Euro pro Stunde liegen, während Asylbewerber nur 80 Cent pro Stunde erhalten, was zu Bedenken hinsichtlich der sozialen Gerechtigkeit führt.

Die Wendung der Ereignisse in Schwerin könnte auch von den Entwicklungen in benachbarten Landkreisen inspiriert worden sein. Im Landkreis Greiz müssen Asylbewerber seit September 2024 ebenfalls gemeinnützige Arbeiten leisten, was bereits als ein Pilotprojekt wahrgenommen wird.

Kritik und Perspektiven der Arbeitsmarktforschung

Die Maßnahme wird von Fachleuten unterschiedlich bewertet. Arbeitsmarktforscher Prof. Herbert Brücker äußert, dass solche Arbeitsgelegenheiten wenig Nutzen bringen könnten und plädiert für eine schnellere Integration in den ersten Arbeitsmarkt. In seinem jüngsten Forschungsbericht hebt das IAB hervor, dass das Bürgergeld-Gesetz, das zu Beginn des Jahres 2023 in Kraft trat, auf eine „grundlegende Weiterentwicklung“ der Grundsicherung für Arbeitsuchende abzielt. Es evaluiert unter anderem die Zugänge, Leistungen und den Eingliederungsprozess.

Die Einführung dieser neuen Regelung in Schwerin könnte sowohl als Blaupause für ähnliche Maßnahmen in anderen Städten angesehen werden als auch als Anlass für eine grundlegende Debatte über die Unterstützung von Arbeitslosen und Asylbewerbern in Deutschland dienen. Was bleibt abzuwarten, ist, wie sich diese Initiative auf die tatsächliche Beschäftigungssituation und die Integration der Betroffenen auswirken wird.

Für weitere Informationen und den ursprünglichen Bericht klicken Sie bitte hier: Südkurier, NDR, IAB.