Der Fall des ehemaligen Arztes Joël Le Scouarnec, der in den kommenden Tagen vor Gericht in Vannes stehen wird, beleuchtet eine der dunkelsten Seiten des sexuellen Kindesmissbrauchs in Frankreich. Le Scouarnec, 74 Jahre alt und einst ein angesehener Chirurg, wird beschuldigt, über mehrere Jahrzehnte hinweg Hunderten von Kindern, überwiegend jungen Patienten, sexuelle Gewalt angetan zu haben. Die Taten sollen zwischen 1989 und 2014 in verschiedenen Krankenhäusern des Landes, oft unter Narkose, begangen worden sein. Laut Süddeutscher Zeitung hat er seine Verbrechen in einem umfangreichen Dokument festgehalten, das 1655 Seiten umfasst und detaillierte Informationen zu den Opfern, deren Alter, den Tatzeitpunkten und -orten enthält.

Besonders verstörend sind die Einträge, in denen der Ex-Chirurg seine eigenen Empfindungen und Triebe beschreibt. Medienbeiträge haben das Dokument als „Son Journal intime“ oder „carnets“ bezeichnet, was auf seine intime und systematische Aufarbeitung der Verbrechen hinweist. Dieses sorgfältig dokumentierte Material verstärkt den Eindruck der Vorbedachtheit und des planvollen Vorgehens in den Taten des Angeklagten.

Ein Leben im Dunkel

Insgesamt ist Le Scouarnec beschuldigt, etwa 300 minderjährige Patienten zwischen 1989 und 2014 vergewaltigt und misshandelt zu haben. Der Prozess, der am 24. Februar 2024 beginnt, wird als einer der größten Kindesmissbrauchs-Prozesse in der französischen Geschichte angesehen. Ermittlungen ergaben, dass er 2020 zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde, nachdem er für die Vergewaltigung seiner Nichten sowie einer jungen Patientin verurteilt worden war. Dies war jedoch nicht das erste Mal, dass Le Scouarnec mit dem Gesetz in Konflikt geriet; er wurde bereits 2005 wegen des Besitzes von kinderpornografischen Bildern verurteilt und konnte dennoch bis zu seiner Pensionierung 2017 als Chirurg arbeiten, ohne dass Verdacht auf sein Verhalten aufkam. Kollegen beschrieben ihn als diskret und kompetent, während er sich abseits des Krankenhauses isolierte und eine Sammlung von Sexpuppen sowie sadomasochistische und zoophile Praktiken pflegte, was ihm offenbar über Jahre hinweg gelungen ist, unbemerkt zu bleiben, so Bluewin.

Die Gewaltakten wurden durch die Entdeckung von über 300.000 kinderpornografischen Bildern sowie 5.000 Videos dokumentiert, die während einer Hausdurchsuchung bei ihm sichergestellt wurden. In seinen Notizbüchern listete Le Scouarnec 299 Fälle von Vergewaltigung und Missbrauch auf, die somit einen erschreckenden Einblick in seine Taten geben.

Das Dunkelfeld des sexuellen Missbrauchs

Der Fall von Le Scouarnec ist nicht nur eine spezifische Tragödie, sondern auch ein Beispiel für das weit verbreitete Problem des sexuellen Missbrauchs von Kindern in der Gesellschaft. In Deutschland gab es im Jahr 2022 laut der Beauftragten für Missbrauch 15.520 offiziell gemeldete Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich erheblich höher, da viele Taten aus verschiedenen Gründen nicht zur Anzeige gebracht werden. Zudem hat sich die Zahl der Missbrauchsdarstellungen im Internet zwischen 2020 und 2022 verdoppelt. Dies zeigt einen alarmierenden Trend in der Zunahme sexueller Gewalt gegen Minderjährige.

Der Fall Le Scouarnec ist ein dringender Weckruf, die Mechanismen zur Aufdeckung und Verhinderung solcher Vergehen zu stärken, um betroffene Kinder besser zu schützen.