In Japan zeigen immer mehr Senioren ein ungewöhnliches Verhalten: Sie begehen Straftaten, um im Gefängnis zu leben. Während die Zahl der Gefängnisinsassen in den letzten zwei Jahrzehnten um mehr als die Hälfte gesunken ist, stieg der Anteil der über 65-Jährigen unter den Insassen auf 14 Prozent, was eine Verdopplung im Vergleich zu vor 20 Jahren darstellt. Diese Entwicklung spiegelt die Herausforderungen einer zunehmend alternden Gesellschaft wider, in der jede dritte Person mindestens 65 Jahre alt ist und mehr als jede zehnte Person mindestens 80 Jahre zählt, wie ln-online.de berichtet.

Alternde Menschen in Japan sind oft von Einsamkeit und Armut betroffen. Rund 20 Prozent der älteren Bevölkerung leben in relativer Armut. Einsamkeit ist zudem ein wesentlicher Faktor, der ältere Menschen dazu treibt, Straftaten zu begehen, wobei 40 Prozent der über 16-Jährigen in Japan sich im Jahr 2022 einsam fühlten. Die japanische Regierung hat 2021 ein Ministerium für Einsamkeit eingerichtet, um diesem drängenden Problem zu begegnen.

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Der Gefängnisaufenthalt als Zuflucht

Die Gründe, warum Senioren ins Gefängnis gehen, sind vielfältig. Der häufigste Vorfall, der zu Haftstrafen führt, ist Diebstahl, mit einem Anteil von 58 Prozent bei Männern und 80 Prozent bei Frauen. Einige Insassen begehen Straftaten absichtlich, um die Annehmlichkeiten des Gefängnislebens zu genießen, das einen täglichen Zugang zu gesundem Essen, Gesundheitsversorgung und sozialem Kontakt bietet. Diese Motivation findet sich nicht nur in Japan – eine Studie der Tokyo Metropolitan University zeigt, dass 44 Prozent der alleinstehenden Frauen über 65 in Japan in Armut leben, was diesen Trend weiter verstärkt, so die Kleine Zeitung.

Gerichte in Japan verhängen strenge Strafen für Diebstahl, auch für Ersttäter, wobei Wiederholungstäter bis zu zehn Jahre Haft erhalten können. Senioren profitieren im Gefängnis nicht nur von einer kostenlosen Unterkunft und warmen Mahlzeiten, während ihre Rente während der Haft weitergezahlt wird, sondern sie finden auch soziale Kontakte und Gemeinschaft, die im Alltag oft fehlen.

Die Einsamkeit älterer Menschen

Die Einsamkeit ist ein weit verbreitetes Problem unter älteren Japanern. Ikuko Arai, 85 Jahre alt, die nach 32 Jahren in einer gemeinnützigen Organisation in Tokio in den Ruhestand trat, äußert Besorgnis über eine mögliche Isolation im Alter. Laut dem Nationalen Institut für Bevölkerungs- und Sozialforschung könnten bis 2050 44,3 Prozent aller Haushalte in Japan aus einer Person bestehen, was das Problem der Einsamkeit noch verschärfen würde, berichtet DW.com.

Die Angstszenarien umfassen nicht nur die Gefahr eines einsamen Todes, sondern auch die Bedrohung durch organisierte kriminelle Gruppen, die ältere Menschen ins Visier nehmen. Professor Hiroshi Yoshida betont die Herausforderungen, die das Altern mit sich bringt, und fordert Maßnahmen, um soziale Isolation zu bekämpfen und eine sichere Gesellschaft für ältere Menschen zu fördern.

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Insgesamt stehen die älteren Menschen in Japan vor der Herausforderung, in einer Gesellschaft zu leben, die sich rapide verändert. Diese sozialen und finanziellen Probleme haben dazu geführt, dass der Gefängnisaufenthalt für einige als eine Art letzter Zufluchtsort angesehen wird, was die Notwendigkeit für eine umfassende gesellschaftliche Diskussion über die Lebensbedingungen und Bedürfnisse dieser Bevölkerungsgruppe unterstreicht.