Der Film „I’m Still Here“ hat in Brasilien eine intensive Auseinandersetzung mit der nationalen Geschichte und der jüngsten politischen Krise angestoßen. Laut Al Jazeera spiegelt er nicht nur die gesellschaftlichen Spannungen wider, sondern feedert auch die Diskussion über den gescheiterten Putschversuch vom 8. Januar 2023, als tausende Anhänger des ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro versuchten, die Regierung von Luiz Inácio Lula da Silva zu stürzen. Dieser Vorfall ereignete sich nur eine Woche nach Lulas Amtsantritt zur dritten, nicht aufeinanderfolgende Amtszeit.

Die Protestierenden stürmten den Obersten Gerichtshof, das Nationalkongressgebäude sowie den Präsidentenpalast und trafen auf gewaltsame Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften. Berichten zufolge zeichneten die Aktionen ein Bild eines umfassenden Plans zur Destabilisierung der Regierung, um Bolsonaro möglicherweise wieder an die Macht zu bringen. Gemäß Aussagen von Lucas Figueiredo, einem Journalisten und Autor, ist das fehlende Bewusstsein über die Militärdiktatur zwischen 1964 und 1985 ein Grund dafür, dass viele Brasilianer die Militärherrschaft romantisieren.

Versuche zur Strafverfolgung und das Erbe der Militärdiktatur

Die aktuellen Spannungen wurden durch die Anklage gegen Bolsonaro verstärkt, der von der Generalstaatsanwaltschaft beschuldigt wird, Verschwörung zum Sturz der Regierung geplant zu haben. Laut Yahoo umfasst die Anklage einen versuchten Mord an Justizminister Alexandre de Moraes und einen Plan, Lula zu vergiften. Die Vorwürfe treffen Bolsonaro in einem Kontext, in dem er bereits wegen seiner früheren Äußerungen über die Wahlen von 2022, welche die Integrität in Frage stellte, politisches Unrecht erleidet. Er bleibt bis 2030 von politischen Ämtern ausgeschlossen.

Die Verhaftung von über 1.400 Teilnehmern des Putschversuchs zeigt die Reaktion der brasilianischen Justiz auf die Ereignisse. Dennoch sind die politischen Drahtzieher weitgehend ungestraft geblieben. Während einige hochrangige Militärangehörige entlassen wurden, gibt es eine ausgeprägte Scheu, diese zu bestrafen, da sie als potenzielle Destabilisatoren der politischen Ordnung angesehen werden, erklärt Politikwissenschaftlerin Mayra Goulart.

Ein wachsendes Bewusstsein und der Einfluss der Medien

Die Anklage gegen Bolsonaro hat nicht nur eine Welle von rechtlichen Schritten ausgelöst, sondern auch das Bewusstsein vieler Brasilianer über die Möglichkeiten, gegen Rechtsbrüche vorzugehen, geschärft. Marcia Carneiro, eine Geschichtsdozentin, bemerkt, dass das Gefühl der Straflosigkeit möglicherweise sinkt, da die Gesellschaft Forderungen nach Deckung und Rechenschaft laut werden lässt. Der Film „I’m Still Here“ spielt hierbei eine wichtige Rolle, indem er familiäre Dynamiken in den Vordergrund stellt, was vermutlich ihn einem breiteren Publikum zugänglich macht.

Die Betrachtung der Militärdiktatur und die Auseinandersetzung damit sind entscheidend, wie die Brasilianer heute ihre Demokratie verstehen. Julia Dualibi betont, dass die Mehrheit der Bevölkerung keine Sehnsucht nach einer Diktatur hat. Zwar ist das Land politisch polarisiert, doch die Vielzahl an Parteien wird als Schutzfaktor für die Demokratie im Vergleich zu anderen Ländern, wie den USA, angesehen.

Die turbulenten Entwicklungen rund um die Vorwürfe gegen Bolsonaro und der Einfluss von Filmen wie „I’m Still Here“ werden Brasilien weiterhin fordern, während es darum kämpft, seine Vergangenheit zu verarbeiten und die Zukunft demokratisch zu gestalten. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen die strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn auf die politische Landschaft des Landes haben werden.