Der geschlossene Jugendwerkhof Torgau gilt als ein düsteres Kapitel der DDR-Geschichte. Zwischen 1964 und dem Ende der DDR wurden hier über 4.000 Jugendliche untergebracht, die nicht dem sozialistischen Idealbild entsprachen. Die Erfahrungen dieser Jugendlichen, die unter extremen Bedingungen lebten, sind seit Jahren Gegenstand von Aufarbeitung und einer neu eröffneten Dauerausstellung mit dem Titel „Ich bin als Mensch geboren, und will als Mensch hier raus“. (ZDF)

Alexander Müller, geboren 1969 in Bad Schlema, ist einer der Zeitzeugen, die ihre Geschichten teilen. Er beschreibt seine erste Einweisung in den Jugendwerkhof Torgau im Jahr 1984 und die darauf folgende Zwangsarbeit sowie das exzessive Sportprogramm, das mit Leibesvisitationen einherging. „Es gab keine Freundschaften, da wir alle immer Angst hatten, verraten zu werden“, berichtet Müller über die menschenfeindliche Atmosphäre, die ihn dort umgab. (Schwäbische)

Lebensbedingungen und Missbrauch

Die Bedingungen im Jugendwerkhof waren durch militärischen Drill und ideologische Schulungen geprägt. Zwangssport und Zwangsakkordarbeit bestimmten den Alltag. Müller musste nicht nur körperliche, sondern auch seelische Verletzungen erleiden. Seine Schilderungen beinhalten auch erschütternde Fälle von sexualisierter Gewalt durch Erzieher. Diese Taten sind Teil der systematischen Gewalt, die viele Jugendliche während ihres Aufenthalts erlitten haben. (ZDF)

Die Jugendhilfe in der DDR war eng mit dem Ministerium für Volksbildung verknüpft, geleitet von Margot Honecker. Sie war auf die Umerziehung von Kindern und Jugendlichen ausgerichtet, deren Verhalten als unsozial oder abweichend galt. Hierbei waren sogar polizeiliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Jugendkriminalität und die Verhinderung von Vernachlässigung Teil des Systems. Müller landete unter anderem im Jugendwerkhof, weil er dem kollektiven Ideal der DDR widersprach, was ihn in den Fokus der Staatssicherheit rückte. (bpb)

Nachwirkungen und Engagement

Nach seiner Entlassung aus dem Heim wurde Müller in einem Jugendwohnheim in Plauen untergebracht, wo er fast ein Jahr benötigte, um seine Persönlichkeit wiederzufinden. Heute leidet er unter posttraumatischer Belastungsstörung, ist jedoch aktiv in der Initiativgruppe Geschlossener Jugendwerkhof Torgau. Seit 2010 engagiert er sich in der historisch-politischen Bildungsarbeit und warnt in Schulen vor totalitären Systemen: „Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf“, appelliert er an die jüngere Generation. (Schwäbische)

Er weiß, dass viele Menschen die Erfahrungen der Ehemaligen nicht ernst nehmen oder nicht wahrhaben wollen. Müller, der sich nach seinen Erlebnissen für die Bürgerrechtsbewegung in der DDR engagierte und an der friedlichen Revolution 1989 in Plauen teilnahm, möchte nicht, dass die Geschehnisse in Vergessenheit geraten. “Kämpft um eure Demokratie! Das ist sehr, sehr wichtig“, fordert er die Schulen auf und erinnert daran, dass die Vergangenheit stets auch eine Lehre für die Zukunft ist. (ZDF)

Die Schließung des Jugendwerkhofs im November 1989 markierte das Ende eines repressiven Systems. Schätzungsweise 130.000 Kinder und Jugendliche wurden in der DDR in Spezialkinderheimen untergebracht, viele von ihnen in ähnlichen Einrichtungen, in denen die Grenzen zwischen Erziehung und Missbrauch verwischten. Die Aufarbeitung dieser dunklen Kapitel ist noch lange nicht abgeschlossen, und Berichte von Opfern sind von entscheidender Bedeutung, um die Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in der DDR zu verstehen und aufzuarbeiten. (bpb)