Am 18. Januar 2025 begann Chemnitz feierlich das europäische Kulturhauptstadtjahr 2025. Ein umfangreiches Programm begleitete die Eröffnungsveranstaltungen, die mehrere Zehntausend Besuchende anzogen. Zu den Ehrengästen zählten unter anderem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und die Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Ein Höhepunkt der Feierlichkeiten war eine Open-Air-Show am Karl-Marx-Monument, während eine historische Dampflokomotive durch die Innenstadt gezogen wurde, um an die bedeutende industrielle Vergangenheit der Stadt zu erinnern.

Parallel zu den Feierlichkeiten fanden mehrere Demonstrationen statt. Besonders bemerkenswert war der Aufzug der rechtsextremistischen Kleinstpartei „Freie Sachsen“, der mit rund 300 Teilnehmern durch die Stadt zog. Unterstützt wurde dieser Aufzug von Martin Kohlmann, dem Fraktionsvorsitzenden von Pro Chemnitz/Freie Sachsen. Die Demonstration wurde von Polizei und Absperrgittern gesichert und entfiel unter dem Druck einer größeren Gegenkundgebung der Zivilgesellschaft, die über 1000 Teilnehmende zählte und unter dem Motto „C the Unseen: Rechte Kontinuitäten brechen“ auftrat.

Reaktionen auf die Demonstrationen

Die Genehmigung des rechtsextremen Aufmarsches wurde von Oberbürgermeister Sven Schulze (SPD) verteidigt, der die Entscheidung als Teil der Meinungs- und Versammlungsfreiheit darstellt. Doch diese Entscheidung stößt nicht bei allen Bürgern auf Zustimmung. Frauke Wetzel, Projektleiterin beim Verein ASA-FF, kritisierte die Erlaubnis und wies darauf hin, dass einige Demonstranten an die rechtsextremen Ausschreitungen von 2018 erinnerten. Die Befürchtung, dass solche Ereignisse 2025 erneut stattfinden könnten, ist in der Stadt weit verbreitet.

Die Gegendemonstration, die von Wetzel organisiert wurde und Unterstützung vom DGB Südwestsachsen und diversen zivilgesellschaftlichen Vereinen erhielt, möchte an das „Wir sind mehr“-Konzert von 2018 anknüpfen. Wetzel betont die Notwendigkeit für eine offene und friedliche Kulturhauptstadt Chemnitz. Auch Anna Schramm von der Beratungsstelle Support appellierte an die Stadtführung, die Ängste von marginalisierten Gruppen ernst zu nehmen. Sie hob hervor, dass die Erinnerungen an die Ausschreitungen von 2018 und die damit verbundenen Befürchtungen wieder präsent sind.

Kulturhauptstadt und Stadtentwicklung

Die Veranstaltungen der Kulturhauptstadt zielen darauf ab, die „stille Mitte“ der Gesellschaft zu aktivieren und die Stadtentwicklung voranzutreiben. Rund 100 Millionen Euro an Fördergeldern sind für das Projekt eingeplant, wobei etwa 60 Millionen Euro in sogenannte Interventionsflächen fließen. Stefan Schmidtke, Programmchef für die Europäische Kulturhauptstadt Chemnitz 2025, stellte fest, dass über 400 Trägervereine und 500 individuelle Träger für das Projekt aktiv sind.

In der Stadt gibt es jedoch auch weit verbreitete Skepsis gegenüber den Sicherheitskonzepten. Bürger äußern Bedenken, dass die Stadtführung das Gefahrenpotenzial der Eröffnungsfeier unterschätzt und nur unzureichend auf die Bedrohungen durch rechtsextreme Aktivitäten reagiert.

Laut Polizeisprecher gab es während der ersten Veranstaltungen der Kulturhauptstadt bislang keine Zwischenfälle, was die Hoffnung auf friedliche Feierlichkeiten stärkt. Dennoch bleibt die Situation angespannt, und die Diskussionen über Strategien zur Bekämpfung des Rechtsextremismus werden die weitere Entwicklung in Chemnitz prägen.

Insgesamt steht Chemnitz vor der Herausforderung, die kulturellen Ambitionen mit den bestehenden sozialen und politischen Spannungen zu vereinen. Die Eröffnungsfeierlichkeiten werden als Test für die Gesellschaft betrachtet, ob mehr Bürger für die Kulturhauptstadt aktiv werden.

Für weitere Informationen zu den Entwicklungen in Chemnitz, besuchen Sie bitte Sächsische, MDR und MDR Rechtsextremismus.