Das Landesgericht Wien hat die Tageszeitung Der Standard wegen übler Nachrede verurteilt. Dieser Beschluss steht im Zusammenhang mit der Berichterstattung über ein Begräbnis, an dem auch Mitglieder der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) teilnahmen. Bei dem Begräbnis wurde das Lied „Wenn alle untreu werden“ gesungen, welches fälschlicherweise als „SS-Lied“ tituliert wurde. Der Gerichtsbeschluss sieht eine Entschädigung von insgesamt 20.250 Euro für die Kläger vor, zu denen die FPÖ-Nationalratsabgeordneten Harald Stefan, Martin Graf und der Klubdirektor Norbert Nemeth gehören.
Die Kläger wiesen den Vorwurf vehement zurück und bezeichneten die Medienberichterstattung als „infam und rufmörderisch“. Diese Art der Berichterstattung habe ihnen massive Probleme bereitet, wie Stefan berichtete. Die Anwälte des Standards argumentieren, dass wahre Tatsachen berichtet wurden und haben Berufung gegen das Urteil eingelegt. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.
Hintergrund des Rechtsstreits
Der Rechtsstreit nahm seinen Anfang nach dem Begräbnis am 27. September 2024, welches durch ein Video, das viral ging, in die öffentliche Diskussion geriet. In diesem Video wurde das besagte Lied gesungen, während in den Medien darüber spekuliert wurde, dass ein Lied aus der NS-Zeit angestimmt worden sei. Allerdings argumentieren FPÖ-Politiker, dass das Lied seinen Ursprung im 19. Jahrhundert hat und ein christlich-patriotisches Lied ist, das keinen Bezug zum Nationalsozialismus hat. Die FPÖ hebt hervor, dass die von Studentenverbindungen gesungene Version zwar auch von den Nationalsozialisten verwendet wurde, jedoch nicht von ihnen geschaffen wurde.
Das Gericht stellte fest, dass die Berichterstattung des Standard eine „ungenaue Verdachtslage“ darstellte. Es wurde zudem festgestellt, dass im veröffentlichten Video eine Strophe weggelassen und der Text an einer Stelle verändert wurde, was die mediale Darstellung weiter verzerrte. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker kritisierte die Berichterstattung als „pietätlos“.
Pressefreiheit und politisches Klima
In einem weiteren Kontext der politischen Lage in Österreich ist die FPÖ in den letzten Nationalratswahlen Ende September 2024 mit über 28 Prozent der Stimmen zur stärksten Kraft aufgestiegen. Nach der Wahl kam es zu einer Pattsituation, da andere Parteien nicht mit dem FPÖ-Spitzenkandidaten Herbert Kickl koalieren wollten. Der Bundespräsident gab den Regierungsauftrag an Karl Nehammer von der ÖVP, während SPÖ, ÖVP und Neos aktuell in Koalitionsverhandlungen sind.
Die FPÖ hat im Wahlkampf stark gegen die etablierten Medien mobil gemacht. Dies hat zu einem gesunkenen Vertrauen der österreichischen Bevölkerung in Nachrichten geführt, das laut dem Digital News Report des Reuters Institute auf 35 Prozent gesunken ist. Die FPÖ nutzt eigene Medienkanäle sowie soziale Medien, um direkt mit den Wählern zu kommunizieren, und fordert unter anderem eine Abschaffung der ORF-Haushaltsabgabe.
Während die FPÖ ihre Rhetorik gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verschärft hat, zeichnen sich besorgniserregende Entwicklungen für die Pressefreiheit in Österreich ab. ORF-Mitarbeiter äußern Besorgnis über mögliche Veränderungen bei einer möglichen FPÖ-regierten Regierung, und es gibt Anzeichen für Einschüchterungsversuche gegen Journalisten.
Die Zivilgesellschaft beginnt sich hingegen verstärkt für unabhängigen Journalismus einzusetzen. Der Druck auf die Medien wird sowohl aus der politischen Sphäre als auch durch die Strategie der FPÖ, die etablierten Medien zu diskreditieren, deutlich spürbar.
Für weitere Informationen besuchen Sie Freilich Magazin, ORF Wien und MMM Verdi.