Eine neue Studie der Dresdner Hochschulmedizin hat faszinierende Einblicke in die Funktionsweise des menschlichen Gehirns gegeben. Forscher haben gezeigt, dass das Gehirn Informationen nicht nur effizient verarbeitet, sondern sich auch flexibel an Herausforderungen anpasst. Diese Erkenntnisse wurden in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht und stammen von internationalen Teams aus Dresden, Tübingen, Paris und Shanghai. Sie entwickelten ein mathematisches Modell, um neuronale Netzwerke zu simulieren und deren Leistungsfähigkeit zu optimieren.
Ein zentrales Ergebnis der Untersuchung war, dass ein mittleres Rauschniveau im Netzwerk zu maximaler Leistung führt. Zu wenig Rauschen kann dazu führen, dass Neuronen sich zu stark synchronisieren, was die Flexibilität einschränkt. Im Gegensatz dazu erzeugt zu viel Rauschen chaotische und ineffiziente Aktivitätsmuster. Die Studie hebt hervor, dass ein optimaler Zustand zwischen Präzision und Flexibilität erforderlich ist, um Kritikalität als natürlichen Nebeneffekt optimaler Informationsverarbeitung zu erreichen. Störungen in diesem Gleichgewicht könnten psychische Störungen wie Schizophrenie oder Depressionen verursachen.
Kritikalität und psychische Gesundheit
Die Studie zeigt auch, dass Hyperkonnektivität, die häufig bei Schizophrenie beobachtet wird, mit chaotischen neuronalen Aktivitäten einhergeht. Im Gegensatz dazu deuten Depressionen und Zwangsstörungen auf eine übermäßige Ordnung in neuronalen Schaltkreisen hin. Ein besseres Verständnis dieses Gleichgewichts könnte neue Behandlungsmöglichkeiten für psychische Erkrankungen eröffnen. Laut Jun-Prof. Dr. Shervin Safavi von der TU Dresden könnten die Ergebnisse auch Prinzipien für Kognition und geistige Gesundheit aufdecken.
Zusätzlich wird in einer Untersuchung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel die Übertragung biologischer Informationsverarbeitung auf technische Systeme thematisiert. Die Forscher der CAU arbeiten im Sonderforschungsbereich „Neuroelektronik“ an der Entwicklung energieeffizienter Computerarchitekturen, inspiriert vom menschlichen Gehirn. Das menschliche Gehirn ist in der Lage, Informationen mit einem Energieverbrauch von etwa 25 Watt zu verarbeiten, während Computer deutlich mehr Energie benötigen. Diese Erkenntnis bekräftigt die Relevanz der „kritischen Gehirnhypothese“, die besagt, dass das Gehirn am effizientesten arbeitet, wenn es sich in einem kritischen Zustand befindet.
Methoden und Technologien
Um den kritischen Zustand zu bestimmen, nutzen Forscher verschiedene Verfahren der kognitiven Neurowissenschaft, wie elektroenzephalographische Messungen (EEG). Diese Verfahren erfassen die neuronale Aktivität und helfen dabei, das Zusammenspiel zwischen neuronalen Netzwerken zu verstehen. Methoden wie Einzelzellableitungen, Magnetenzephalographie (MEG) und verschiedene bildgebende Verfahren werden genutzt, um die biochemischen und biophysikalischen Vorgänge im Gehirn zu analysieren.
Ein wesentliches Ziel dieser Forschung ist es, Grundlagen zur Entwicklung robusterer, anpassungsfähiger KI-Systeme zu schaffen. Die Untersuchung der Kritikalität könnte damit nicht nur die Forschung zur menschlichen Kognition vorantreiben, sondern auch bedeutende Impulse für die Entwicklung zukünftiger Technologien geben.
Die wissenschaftlichen Ergebnisse zur Kritikalität und zur Funktionsweise des menschlichen Gehirns eröffnen somit Chancen für innovative Ansätze in der Psychotherapie und der künstlichen Intelligenz. Der interdisziplinäre Austausch zwischen Neurowissenschaften und Informatik wird immer wichtiger, um die Herausforderungen der modernen Gesellschaft zu bewältigen.
Weitere Informationen zu den Studienergebnissen sind auf den Webseiten der TU Dresden, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Wikipediaseite zu kognitiven Neurowissenschaften zu finden.