Vorfall | Mord/Totschlag |
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Ort | Magdeburg |
Ein Arzt, der im Internet mehr Antworten als in Büchern sucht, eine tödliche Fahrt auf dem Weihnachtsmarkt, und ein Mann, der niemandem in ein Schema passt: Die Geschichte von Taleb A. aus Magdeburg ist so unglaublich wie erschütternd. „Er heißt bei uns Dr. Google“, erzählen seine ehemaligen Kollegen aus der Klinik, in der A. gearbeitet hatte. Die Mitteldeutsche Zeitung berichtet, dass A. für jede Diagnose das Internet zu Rate zog, was zu vielen Missverständnissen führte, da er kaum Deutsch sprach. Eine Krankenschwester erinnert sich: „Es gab ständig Beschwerden bei anderen Ärzten und Vorgesetzten wegen ihm.“
Doch anscheinend sah die Klinikleitung keinen Handlungsbedarf – trotz der Hinweise, dass er Patienten durch falsche Medikamentenverschreibungen in Lebensgefahr gebracht hatte. Eines Tages verschwand A., nur um dann plötzlich wieder aufzutauchen, bis er sich Ende Oktober krankmeldete und in den Urlaub ging. Am 20. Dezember kam es dann zur schockierenden Tat: Er raste durch den Magdeburger Weihnachtsmarkt, ließ mindestens fünf Menschen tot und 200 verletzt zurück.
Ein Leben voller Widersprüche
Wie konnte es dazu kommen? Taleb A., der seit 2006 in Deutschland lebte, zeichnete sich durch viele Widersprüche aus. Auf der einen Seite ein vehementer Kritiker des Islams und Saudi-Arabiens, der sich für Frauenrechte engagierte, auf der anderen Seite ein Mann, der wiederholt durch Drohungen auffiel. 2013 wurde er vom Amtsgericht Rostock verurteilt, weil er Straftaten angedroht hatte. Sicherheitsexperten stehen nun vor einem Rätsel: War die Tat politisch motiviert oder Ausdruck persönlicher Verzweiflung?
Beobachter äußern sich verwundert, dass A., der sich im Internet offen kritisch gegenüber den deutschen Behörden zeigte, nie als Gefährder eingestuft wurde. Auch die Behauptungen, die deutschen Behörden würden „geheime Operationen“ durchführen, sorgten für Kopfschütteln. Oe24 berichtet, dass Saudi-Arabien bereits vor ihm gewarnt und seine Auslieferung beantragt hatte. Doch ohne Reaktion aus Deutschland.
Fragwürdige Anzeichen und unklare Motive
Vieles deutet darauf hin, dass Taleb A. sich zunehmend radikalisierte. In den sozialen Medien, wo ihm über 40.000 Menschen folgten, wurden seine Aussagen immer wirrer. Er prophezeite seinen eigenen Tod und behauptete, er wolle um jeden Preis Gerechtigkeit erlangen. Doch verweucht seine Motivlage im Nebel: Unzufriedenheit über den Umgang mit saudischen Flüchtlingen, persönliche Rache oder doch politische Ansichten? Selbst die Staatsanwaltschaft ist noch unschlüssig.
Experten wie Peter Neumann vom King’s College in London beschreiben die Schwierigkeit bei der Analyse solcher Täter. A. passte nicht ins Raster. „Er war kein typischer Islamist. Er war ein Saudi, der gegen den Islam aufbegehrte“, so Neumann. Während Bekannte von seinen Plänen wissen, bleibt offen, wie ernst diese Drohungen genommen wurden. Tausende im Netz äußern ähnliche Botschaften, aber nur wenige handeln. Diese Gratwanderung zwischen Worten und Taten bleibt eine Herausforderung für die Behörden.
Ort des Geschehens
Analysierte Kommentare in sozialen Medien: 8
Analysierte Forenbeiträge: 100