Die Geschichte der „Wolfskinder“, eine dramatische Erzählung über Kinder, die während und nach dem Zweiten Weltkrieg in Ostpreußen und Litauen überlebten, nimmt in den letzten Jahren vermehrt Raum in der public history ein. Das Buch „Wolfskinder in Ostpreußen“ von Hans Paul beleuchtet das Schicksal dieser Kinder, die oft ihre Eltern verloren oder von ihnen getrennt wurden. Diese tragischen Umstände führten dazu, dass viele von ihnen in Gruppen durch die Wälder zogen und so den Namen „Wolfskinder“ erhielten. Ihre Erfahrungen sind geprägt von Hunger, Kälte und der ständigen Bedrohung durch die Gefahren der Nachkriegszeit, was die emotionale und eindringliche Erzählweise des Buches verdeutlicht. Historische Genauigkeit und authentische Zeitzeugenberichte bieten einen tiefen Einblick in ihr Überleben in dieser düsteren Zeit, ein Thema, das auch von NationalGeographic.de aufgegriffen wird.
In der Aufarbeitung dieser Geschichte offenbart sich ein spannendes Narrativ. Nach dem Krieg versuchten viele Menschen in Deutschland, sich von den Gräueltaten des Krieges zu distanzieren, was zur Entstehung eines deutschen Opfernarrativs führte. Die grausamen Taten, die während des Krieges geschehen sind, wurden oft selektiv behandelt, insbesondere die Gräueltaten der Sowjetunion, die im sowjetisch besetzten Ostdeutschland als Befreier angesehen wurden. In Westdeutschland hingegen dominierte der Diskurs über das Leid der Deutschen, wenngleich das Schicksal der „Wolfskinder“ meist nur in rechtsextremen Kreisen thematisiert wurde.
Gesellschaftliche Erinnerungsprozesse
Mit dem Fall der Berliner Mauer 1989 und den damit verbundenen politischen Veränderungen ergab sich eine Gelegenheit, offener über die Vergangenheit zu sprechen. Lukas Kreibig betont die Notwendigkeit, sich an die Geschichten und den Schmerz des Krieges zu erinnern. Sein Projekt über die Kriegskinder Ostpreußens reflektiert, wie der Krieg die Identität dieser Kinder prägte und zeigt auf, dass Bilder die historische Aufzeichnung bereichern können. Dieser Ansatz wird vor dem Hintergrund der Ansprache von Dr. Vincent Regente beim wissenschaftlichen Symposium über die „Wolfskinder“ deutlich. Hier berichten Experten wie Rūta Matimaitytė und Dr. Christopher Spatz über die Erinnerungen dieser Kinder nach der Unabhängigkeit Litauens im Jahr 1991.
In der Sowjetunion war die Erinnerungskultur vor 1991 von heroischen Mythen geprägt, was die Sicht auf marginalisierte Opfergruppen, wie die „Wolfskinder“, verzerrte. Die Gründung des Vereins Edelweiß half ehemaligen „Wolfskindern“, ihre Nachkriegserfahrungen öffentlich zu machen und ihre Identität zu rekonstruktionieren.
Öffentliche Aufmerksamkeit und Schicksale
Der Begriff „Wolfskinder“ wurde erstmals 1991 im Dokumentationsfilm von Eberhard Fechner erwähnt und brachte mehr Aufmerksamkeit für das Schicksal dieser Kinder. Die mediale Berichterstattung und die Veröffentlichung von Geschichten in der regionalen Presse schufen einen Raum für diese oft vergessenen Erzählungen. Der Roman „Mein Name ist Marytė“ von Alvydas Šlepikas (2011) führt das Thema weiter und hat dazu beigetragen, mehr Einblick in die existenziellen Kämpfe dieser Gruppe zu bieten. Auch Barbara Sieroslawski’s Dokumentarfilm „Mädchengeschichten“ thematisiert unterschiedliche Ungleichheiten und Erfahrungen von Mädchen während des Krieges, wodurch die multiperspektivische Sichtweise gefördert wird.
Das Buch „Wolfskinder in Ostpreußen“ wird nicht nur als ein wichtiges literarisches Denkmal beschrieben, sondern auch als ein bedeutender Beitrag zur Historiografie des deutschen Opferganges. Es gibt den Stimmen der ostpreußischen Kinder Gehör und bietet eine prägnante und klare Auseinandersetzung mit den enormen Herausforderungen, denen sie während dieser turbulenten Zeit gegenüberstanden. Historisch Interessierte finden hier einen authentischen Zugang zu einem oft vergessen Teil der Geschichte, der auch durch aktuelle Erinnerungsprozesse verstärkt an Bedeutung gewinnt, wie auch bpb.de aufzeigt.