Vorfall | Brandstiftung, Mord/Totschlag |
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Ort | Ludwigshafen, Speyer, Kaiserslautern |
Verletzte | 1200 |
Ursache | Antisemitismus |
In der Pfalz wächst die Angst unter den jüdischen Gemeinden, und das aus gutem Grund. Die Schatten der Vergangenheit scheinen sich wieder über die Region zu legen. Marina Nikiforova, die Geschäftsführerin der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz, berichtet von der bedrückenden Situation, die durch den Krieg im Nahen Osten und den Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöst wurde. „Fast alle unsere Gemeindemitglieder haben Kinder oder Enkel in Israel und leben in ständiger Sorge um sie“, erklärt sie. Diese Sorgen sind nicht unbegründet, denn die jüngsten Ereignisse haben das Gefühl der Unsicherheit in der Gemeinschaft verstärkt, wie auch SWR berichtete.
Die Jüdische Kultusgemeinde der Rheinpfalz, die 177 Mitglieder zählt und in Städten wie Ludwigshafen, Speyer und Kaiserslautern aktiv ist, sieht sich mit einer beunruhigenden Realität konfrontiert. In Ludwigshafen gibt es nicht einmal ein Schild am Gemeindehaus, das auf die jüdische Gemeinschaft hinweist. „Zu gefährlich. Das haben wir abgeschraubt“, sagt Nikiforova. Diese drastische Maßnahme verdeutlicht die angespannte Lage, in der selbst die alltäglichsten Aktivitäten, wie Chorproben, nur unter Polizeischutz stattfinden können.
Ein Gefühl der Isolation
Die Worte von Nikiforova sind eindringlich: „Wir fühlen uns manchmal wie in einem Ghetto.“ Die ständige Präsenz der Polizei ist zwar eine Unterstützung, doch die Notwendigkeit, sich in dieser Weise zu schützen, ist für die Gemeinde bedrückend. Die Auswirkungen des Krieges im Nahen Osten sind nicht nur geografisch weit entfernt, sondern haben auch in Rheinland-Pfalz eine Kluft zwischen Juden und Muslimen geschaffen, die es schwierig macht, im Gespräch zu bleiben.
Die Angst vor Antisemitismus hat in den letzten Monaten zugenommen. Immer wieder werden israelische Flaggen in Ludwigshafen beschädigt oder heruntergerissen, was die Sorgen der jüdischen Gemeinschaft weiter anheizt. Die Jüdische Kultusgemeinde ist dankbar für die Unterstützung der Polizei, aber die ständige Wachsamkeit zeugt von einer tiefen Verunsicherung, die viele Juden in Deutschland empfinden.
Die Auswirkungen der politischen Lage
Die politische Landschaft hat ebenfalls ihren Teil zur Angst beigetragen. Das Erstarken der AfD hat viele Juden dazu veranlasst, über eine Auswanderung nach Israel nachzudenken. „Viele junge Leute überlegen, nach Israel auszuwandern. Auch mein Schwiegersohn hat darüber nachgedacht“, erzählt Nikiforova. Diese Überlegungen sind nicht nur persönliche Entscheidungen, sondern spiegeln das Gefühl der Unsicherheit wider, das in der Gemeinschaft vorherrscht.
Die persönliche Sicherheit ist so stark bedroht, dass Nikiforova und andere Mitglieder der Gemeinde ihre religiösen Symbole nicht mehr offen tragen. „Meinen Davidstern trage ich schon lange nicht mehr als Kette um den Hals“, berichtet sie. Diese Angst ist nicht nur irrational, sondern hat sich in den Köpfen vieler Menschen festgesetzt. Auch Galina Borodina, ein Vorstandsmitglied der Kultusgemeinde, hat ihre Kette mit dem Davidstern abgelegt und fragt sich: „Warum müssen wir eigentlich immer wegen unseres Glaubens Angst haben?“
Die jüngsten Vorfälle, wie der respektlose Umgang eines Jugendlichen mit einer Kippa während eines Klassenausflugs, zeigen die Herausforderungen, mit denen die jüdische Gemeinschaft konfrontiert ist. Nikiforova ist entsetzt über das Verhalten und die mangelnde Sensibilität, die in der Gesellschaft herrscht. „Sie glauben nicht, wie viele junge Leute auf gepackten Koffern sitzen und nach Israel wollen“, sagt sie, während die Traurigkeit über die verlorenen Geiseln in Israel durch die Wände der Gemeinde hallt.
Die Reichspogromnacht am 9. November 1938, ein dunkles Kapitel der Geschichte, wird in diesen Tagen wieder lebendig. Die Erinnerungen an die Zerstörung jüdischer Geschäfte und Synagogen sind nicht vergessen. Die Jüdische Kultusgemeinde der Rheinpfalz ist sich der Bedeutung dieser Geschichte bewusst und setzt sich dafür ein, dass die Lehren aus der Vergangenheit nicht in Vergessenheit geraten.
In Anbetracht der aktuellen Situation ist es von größter Wichtigkeit, dass die Gesellschaft zusammensteht und sich gegen Antisemitismus und Diskriminierung einsetzt. Der Bundestag hat bereits eine Resolution zum Schutz jüdischen Lebens verabschiedet, was zeigt, dass es einen politischen Willen gibt, gegen diese Bedrohungen vorzugehen. Doch wie dpa berichtete, bleibt die Frage, wie effektiv diese Maßnahmen sein werden, wenn der Antisemitismus weiterhin in der Gesellschaft verwurzelt ist.
Die jüdische Gemeinschaft in der Pfalz steht vor einer Herausforderung, die sowohl emotional als auch physisch ist. Es ist an der Zeit, dass wir alle uns für eine Gesellschaft einsetzen, in der jeder, unabhängig von seinem Glauben, sicher leben kann.