Münster

Geschlechterungleichheit in der EU-Kommission: Von der Leyen in der Zwickmühle

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen steht kurz vor einer Niederlage in ihrem Ziel eines ausgeglichenen Geschlechterverhältnisses im neuen Kommissionsteam, da über die Hälfte der EU-Staaten nur männliche Kandidaten nominiert hat, was die Zusammensetzung des Gremiums vor dem Fristablauf am Freitag gefährdet und den Reputationsschaden der gesamten EU riskieren könnte.

In Brüssel gibt es derzeit besorgniserregende Nachrichten, die die Bemühungen der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Gefahr bringen könnten. Trotz ihrer klaren Ansage, ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis im neuen Führungsteam der Europäischen Kommission zu etablieren, zeigen die jüngsten Nominierungen der Mitgliedstaaten, dass mehr als die Hälfte nur männliche Kandidaten vorgeschlagen hat. Mit dem nahenden Fristende für die Nominierungen droht ein Team, das zu rund zwei Dritteln aus Männern bestehen könnte, während von Leyen und die bereits nominierte Außenbeauftragte Kaja Kallas mitgezählt werden.

Die bisherige Situation lässt sich als alarmierend beschreiben: Bis zum jetzigen Zeitpunkt sind lediglich 12 der 27 Kommissionsmitglieder weiblich. Diese ungleiche Verteilung stellt nicht nur ein Problem für die Gendergerechtigkeit dar, sondern könnte auch die zukünftigen Entscheidungen und Vorschläge, die von dieser Kommission ausgehen, beeinflussen. Die EU-Kommission ist nicht nur eine Verwaltungsbehörde; sie spielt eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, neue Gesetzesentwürfe vorzulegen und die Einhaltung der Europäischen Verträge zu gewährleisten, was die gesamte Union betrifft.

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Erwartungen und Enttäuschungen

Von der Leyen, die im Juli dieses Jahres erneut zur Präsidentin der Kommission gewählt wurde, hatte die Mitglieder der EU-Staaten explizit aufgefordert, sowohl einen Mann als auch eine Frau für die Nominierung vorzuschlagen. Diese Aufforderung galt jedoch nicht für jene Regierungen, die einen amtierenden Kommissar erneut einbringen wollten. Unter den Staaten, die dieser Regelung folgten, sind zum Beispiel Frankreich und Ungarn, die jeweils ihre bestehenden Kommissare nominieren. Dänemark hat kürzlich ebenfalls seinen Kandidaten vorgestellt – aber keinen weiblichen Kandiaten.

Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen rechtfertigte diese Entscheidung mit den Worten, dass man sich nicht schämen müsse, keinen weiteren weiblichen Vorschlag zu unterbreiten, und verwies auf die langjährige Vertretung durch Margrethe Vestager, die Dänemark über mehrere Jahre hinweg in der Kommission repräsentiert hat. Solche Aussagen werfen erneut die Frage auf, ob die Mitgliedstaaten die Aufforderung von von der Leyen ernst nehmen.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Die Situation wird noch komplizierter, da die Mitgliedstaaten rechtlich nicht verpflichtet sind, von der Leyens Forderungen nachzukommen. Der EU-Vertrag besagt lediglich, dass das demografische und geografische Spektrum der Mitgliedstaaten in der Kommission abgebildet werden soll. Geschlechterparität wird jedoch nicht gefordert, was von der Leyens Einfluss auf die Nominierungsprozesse erheblich einschränkt.

Zusätzlich zu den rechtlichen Hürden steht von der Leyen nun vor der Herausforderung, die Nominierungen der Regierungen entgegenzunehmen. Dies ist der letzte große Schritt zur Neubesetzung der politischen Spitzenpositionen nach der Europawahl im Juni. Ein Erfolg in dieser Angelegenheit könnte nicht nur ihre Autorität als Präsidentin stärken, sondern auch die Glaubwürdigkeit der EU in der Öffentlichkeit erhöhen.

Ein Bericht der „Times of Malta“ deutet darauf hin, dass von der Leyen Malta angeboten hat, die derzeitige maltesische Kommissarin Helena Dalli erneut zu nominieren. Im Gegenzug könnte Dalli ein attraktiveres Ressort erhalten, als es ihr Vorgänger begegnen würde. Solche strategischen Verhandlungen sind Teil der Dynamik, mit der von der Leyen versuchen muss, die Situation zu ihrem Vorteil zu nutzen.

In dieser Angelegenheit hat der italienische Rechtsexperte Alberto Alemanno eindringlich gewarnt: Ein von Männern dominiertes Kommissionskollegium könnte einen ernsthaften Reputationsschaden für die Präsidentin der Kommission darstellen. Er hat von der Leyen geraten, ihre Unzufriedenheit gegenüber den Mitgliedstaaten zu kommunizieren und sie zu drängen, schnell neue Kandidaten vorzuschlagen. Ansonsten könnte die Kommission auf Schwierigkeiten stoßen, wenn schwache männliche Kandidaten ihre Zustimmung im Europäischen Parlament suchen.

Wenn die Regierungen bei den nächsten Schritten in der Nominierung nicht nachbessern, könnte dies weitreichende Auswirkungen auf die Zukunft der EU haben. Der Beginn der Amtszeit der neuen Kommission ist für den 1. November geplant und fällt in eine geopolitisch sensible Zeit, insbesondere kurz vor der Präsidentschaftswahl in den USA. Es bleibt abzuwarten, ob von der Leyen diese kritische Phase in ihrer Amtszeit erfolgreich bewältigen kann.

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