Im Cum-Ex-Steuerskandal, einer der größten Finanzkriminalitäten der Nachkriegsgeschichte, ist die Uhr für die zuständigen Behörden unerbittlich am Ticken. Aktuell sind viele strafrechtliche Vorwürfe verjährt, was die Kölner Staatsanwaltschaft zunehmend unter Druck setzt. Wie dewezet.de berichtet, sind von über 130 Verfahren, die derzeit laufen, 34 betroffen. Insgesamt sind rund 1700 Beschuldigte in diesen Verfahren involviert.
Trotz der Verjährungen wird festgestellt, dass keines der 34 Verfahren eingestellt wird. Jedoch müssen die Vorwürfe gegen bis zu zehn Beschuldigte fallengelassen werden, da für sie die strafrechtliche Verfolgung nicht mehr möglich ist. Bei weiteren Beschuldigten gibt es Teilverjährungen, weshalb einige Taten verjährt sind, andere jedoch nicht.
Folgen und Herausforderungen der Cum-Ex-Ermittlungen
Der Staat hat Möglichkeiten, das durch den Steuerbetrug verlorene Geld zurückzuholen, etwa durch Einziehungsverfahren. Diese Straftaten fanden zwischen 2006 und 2011 statt und verursachten einen Schaden für die Staatskasse im zweistelligen Milliardenbereich. Im Jahr 2021 wurde die Cum-Ex-Praktik vom Bundesgerichtshof als Straftat eingestuft. Viele Verjährungen traten bereits vor Dezember 2020 ein, als die Verjährungsfrist für schwere Steuerhinterziehungen von zehn auf 15 Jahre verlängert wurde. Die neue Frist läuft nun in vielen Fällen Ende 2025 aus. Die Kölner Staatsanwaltschaft hat derzeit 39 Stellen, von denen 36 besetzt sind und hat seit 2019 bereits zwölf Anklagen erhoben, die meist zu Verurteilungen führten.
Die Staatsanwaltschaft Köln plant, die Strafverfolgung bis ins nächste Jahrzehnt fortzusetzen, jedoch bleibt ungewiss, ob genügend politische Unterstützung und Ressourcen vorhanden sind. Der NRW-Justizminister Benjamin Limbach unterstreicht die Dringlichkeit, rechtswidrig ergaunertes Vermögen zurückzuholen.
Der Fall Kai-Uwe Steck
Ein Fixpunkt in den aktuellen Ermittlungen ist der Prozess gegen Kai-Uwe Steck, der als Kronzeuge im Cum-Ex-Skandal auftritt. Der Tagesschau zufolge wird ihm vorgeworfen, besonders schwere Steuerhinterziehung in acht Fällen begangen zu haben, die zwischen 2007 und 2015 stattfanden. Der geschätzte Schaden für die Staatskasse beträgt stolze 428 Millionen Euro. Steck hat bereits ein Geständnis abgelegt und plant, dieses zu wiederholen. Banken und Finanzfirmen fordern inzwischen rund eine Milliarde Euro Schadensersatz von ihm. Trotz seiner bisherigen Rückzahlungen in Höhe von 11 Millionen Euro bleibt ein Betrag von 50 Millionen Euro offen, den er 2022 zur Rückzahlung zugesagt hatte.
Stecks Aussagen belasten nicht nur ihn selbst, sondern auch andere Schlüsselfiguren. Hanno Berger, sein ehemaliger Mentor, wurde aufgrund von Stecks Aussagen zu einer Haftstrafe von acht Jahren verurteilt. Der Prozess gegen Steck umfasst 24 Verhandlungstage und wird von einer öffentlichen Debatte über die Rolle von Banken in diesem Skandal begleitet.
Politische und gesellschaftliche Reaktionen
Anne Brorhilker, ehemalige Staatsanwältin und derzeit Co-Geschäftsführerin der Bürgerbewegung Finanzwende, fordert einen grundlegenden Umdenkprozess in der politischen Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals. In einem Interview äußert sie Kritik an dem fehlenden politischen Willen und an Defiziten in der Justiz, die es den Ermittlungen schwer machen. Brorhilker fordert ein zentrales Ermittlungs-Team auf Bundesebene, um internationale Steuer- und Finanzkriminalität effektiver zu bekämpfen. Die Rahmenbedingungen für Ermittlungen sind oft ungünstig, da viele Beweismittel ins Ausland verlagert werden.
Mit konservativen Schätzungen, die den Schaden durch Cum-Ex auf mindestens 10 Milliarden Euro beziffern, ist die Gesellschaft mehr denn je gefordert, ein Bewusstsein für Finanzkriminalität zu entwickeln und politischen Druck auszuüben, um bessere Rahmenbedingungen für die Strafverfolgung zu schaffen. Bisher konnte der Staat nur rund 1 Milliarde Euro bei Cum-Ex zurückgewinnen, was die Dringlichkeit und Komplexität der Aufklärung deutlich macht.