Der seit 467 Tagen andauernde Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gaza-Streifen hat einen neuen Wendepunkt erreicht. Ein unter der Vermittlung von Katar und Ägypten ausgehandeltes Waffenstillstandsabkommen soll ab Sonntag für zunächst sechs Wochen in Kraft treten. In dem Abkommen sind mehrere Maßnahmen vorgesehen, die von beiden Seiten als Schritt in Richtung Deeskalation interpretiert werden.
Zu den geplanten Maßnahmen gehören die schrittweise Freilassung israelischer Geiseln durch die Hamas sowie die Entlassung palästinensischer Gefangener durch Israel. Zudem ist ein Rückzug der israelischen Armee aus dem Gaza-Streifen geplant, beginnend im Süden. Die erste Welle des Geiseltauschs sieht den Austausch von 33 israelischen Geiseln gegen mehrere hundert palästinensische Gefangene vor. Nach Ablauf der Waffenruhe sind neue Verhandlungen zur Übergabe weiterer Geiseln und einer dauerhaften Waffenruhe angedacht.
Menschenleben und humanitäre Lage
Die anhaltenden Konflikte haben verheerende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Seit dem israelischen Einmarsch in Gaza kamen etwa 50.000 Palästinenser, vorwiegend Zivilisten, ums Leben, während über 100.000 verletzt wurden. Auf israelischer Seite sind rund 1.200 Zivilisten und über 400 Soldaten der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) gestorben. Aktuell leben über die Hälfte der 2,1 Millionen Einwohner Gazas in ständiger Flucht vor den Kämpfen.
In den letzten Monaten eskalierte die Gewalt erheblich, insbesondere nach dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem über 1.400 Menschen, vorwiegend Zivilisten, getötet und mehr als 200 entführt wurden. Dies führte zu umfassenden militärischen Gegenmaßnahmen seitens Israels, die Tausende von Luftangriffen auf den Gazastreifen zur Folge hatten. Amnesty International bezichtigt Israel, mit seinen Aktionen genozidale Absichten gegenüber den Palästinensern zu verfolgen.
Politische Reaktionen und internationale Sichtweise
Die Reaktionen auf das Abkommen fallen gemischt aus. US-Präsident Joe Biden äußerte sich positiv und betonte, dass diese Vereinbarung die Kämpfe stoppen und humanitäre Hilfe ermöglichen werde. Die Biden-Regierung hatte sich intensiv um diese Einigung bemüht. Donald Trump, der designierte US-Präsident, interpretierte das Abkommen jedoch als seinen persönlichen Erfolg und warnte vor einer möglichen Rückkehr des Gazastreifs zu einem „terroristischen Zufluchtsort“.
Auf der anderen Seite äußerte Israels Finanzminister Bezalel Smotrich Bedenken, er bezeichnete das Abkommen als Gefahr für die Sicherheit des Landes. Arabische Länder, wie Libanon, begrüßten die Einigung und sahen sie als Hoffnung auf das Ende einer blutigen Phase. Bundeskanzler Olaf Scholz bewertete die Vereinbarung als Chance für ein dauerhaftes Ende des Konflikts, während Außenministerin Annalena Baerbock die Einhaltung der Waffenruhe forderte.
Obwohl das Abkommen bei vielen für Jubel sorgt, sehen nationalistische Parteien in Israel den Waffenstillstand als Niederlage und fordern eine Fortsetzung der militärischen Aktionen. Der Kontext des Abkommens steht auch im Zeichen geänderter politischer Realitäten im Nahen Osten, die die ohnehin angespannte Situation weiter komplizieren.
Der Wiederaufbau des schwer devastierten Gaza-Streifens wird mit internationaler Hilfe angepeilt. Gleichzeitig bleibt abzuwarten, wie sich die Situation nach Ablauf der geplanten Waffenruhe entwickeln wird und ob weitere Verhandlungen zu einer nachhaltigen Lösung führen können.