Der Einfluss des Mikrobioms auf unsere Gesundheit wird zunehmend klarer. Im Rahmen des Projekts MATOMIC (Mathematical Modelling for Microbial Community Induced Metabolic Diseases) am Bielefelder Forschungszentrum wird untersucht, wie die Zusammenhänge im Darm-Mikrobiom zu Fettleibigkeit bekämpft werden können. Geleitet von Professor Daniel Merkle und unterstützt durch die dänische Novo Nordisk Stiftung, zielt die Forschung darauf ab, chemische Reaktionen im Mikrobiom zu verstehen und mathematisch zu modellieren. Diese Modelle könnten dabei helfen, individuelle Therapieansätze für Patienten zu entwickeln, da jedes menschliche Mikrobiom einzigartig ist. Veränderungen im Mikrobiom stehen in direktem Zusammenhang mit Gesundheitsproblemen wie Fettleibigkeit, die weltweit etwa 2 Milliarden Menschen betreffen.

Mathematische Analysen sollen dazu beitragen, Vorhersagen über die chemischen Prozesse im Körper zu treffen. Die bisherigen Ansätze zur Fäkaltransplantation (FMT) – einem vielversprechenden Therapieansatz, bei dem das Mikrobiom einer schlanken Person auf eine fettleibige Person übertragen wird – scheitern häufig aufgrund von Inkompatibilitäten zwischen Spender- und Empfängermikrobiomen. MATOMIC nutzt graphbasierte Methoden, um diese Prozesse zu kartieren. Aktuell werden acht Bakterienspezies in einem Bioreaktor untersucht, um deren Verhalten und Auswirkungen auf größere Systeme besser zu verstehen.

Interdisziplinäre Ansätze und aktuelle Herausforderungen

Die Forschung am MATOMIC-Projekt nutzt eine Kombination aus mathematischen Modellierungstechniken und experimentellen Kultivierungen, um die entwickelten Theorien auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Hierbei spielt die Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen, wie dem Helmholtz-Institut in Leipzig und der Universität Wien, eine zentrale Rolle. Regelmäßige persönliche und virtuelle Treffen fördern den interdisziplinären Austausch, was laut Merkle für den Fortschritt in der Mikrobiomforschung entscheidend ist.

Während das Mikrobiom eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung von Fettleibigkeit spielt, zeigen die jüngsten Studien, dass es auch bei der Behandlung von Diabetes mellitus helfen kann. Laut einem Forschungsteam des Universitätsklinikums Bonn, geleitet von Prof. Wiebke Fenske, hat die bariatrische Chirurgie positive Effekte auf die Stoffwechselfunktion und die Gewichtsregulation. Interessanterweise wird ein wesentlicher Teil dieser positiven Effekte wahrscheinlich über das Mikrobiom vermittelt.

Die Ergebnisse einer Studie verdeutlichen, dass die Dezimierung der Darmbakterien durch Antibiotika nach einer bariatrischen Operation deren positive Auswirkungen nahezu vollständig negieren kann. Außerdem könnte der Transfer lebender Darmbakterien nach einer Operation den Glukosestoffwechsel verbessern und Übergewicht reducieren, was auf einen neuen Signalweg zwischen Mikrobiom und Fettgewebe hinweist.

Zukunft der Mikrobiomforschung

Die Erforschung des Mikrobioms hat in den letzten Jahren exponentiell zugenommen. Während 2008 nur etwa 2.700 Veröffentlichungen zu diesem Thema existierten, sind es heute über 144.000. Allein in den letzten 12 Monaten wurden mehr als 37.000 neue Publikationen veröffentlicht, die die Wichtigkeit des Mikrobioms in verschiedenen Gesundheitskontexten verdeutlichen. Dazu zählen nicht nur Adipositas und Diabetes, sondern auch psychiatrische Störungen, wo ein dysbiotisches Mikrobiom mit Depressionen und Angstzuständen in Verbindung gebracht wird.

Die Vielzahl an Erkenntnissen in der Mikrobiomforschung zeigt, dass der menschliche Körper und sein Mikrobiom in dynamischer Wechselwirkung stehen und eine profundere Kenntnis dieser Zusammenhänge neue Therapieansätze eröffnen könnte. Damit wird deutlich, dass die Forschung im Bereich Mikrobiom ein entscheidender Faktor für die Zukunft der personalisierten Medizin ist.

Das Adipositas- und Stoffwechselzentrum am Universitätsklinikum Bonn forscht aktiv an neuen ganzheitlichen Behandlungsmethoden, die auf den Erkenntnissen aus diesen Studien aufbauen. Ein klinisches FMT-Projekt zur Behandlung adipöser Patienten wird in Kooperation mit der Universität Graz durchgeführt und von der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) über drei Jahre gefördert, in dem 27 Forschende von 14 Institutionen beteiligt sind.

Für weiterführende Informationen zur Mikrobiomforschung und den aktuellen Fortschritten in der Behandlung von Fettleibigkeit können Sie folgenden Artikeln folgen: Uni Bielefeld, Medfak Bonn, My Microbiome.