In Hildesheim erhalten blinde und sehbehinderte Menschen die Möglichkeit, sich auf neue Weise zu verteidigen. Reinhard Will, 63 Jahre alt und aufgrund einer Netzhauterkrankung nur etwa zwei Prozent sehfähig, nimmt an einem innovativen Selbstverteidigungskurs teil. Dieser wird von Carmen Moré, einer ausgebildeten Trainerin für Prävention und Selbstverteidigung, geleitet und findet in Zusammenarbeit mit dem Blinden- und Sehbehindertenverband Niedersachsen (BVN) sowie der Selbsthilfegruppe ABS (Aktive Blinde und Sehbehinderte) Hildesheim statt.
Es handelt sich um den ersten Selbstverteidigungskurs in Hildesheim, der speziell für Menschen mit Sehbeeinträchtigung konzipiert wurde. Der Kurs basiert auf einem Konzept des Deutschen Ju-Jutsu Verbands, der zunehmend Programme für sehbehinderte und blinde Menschen entwickelt. Die Teilnehmer kommen mit unterschiedlichen Sehbeeinträchtigungen und viele werden von sehenden Begleitern unterstützt.
Inhalte des Kurses und Handlungskompetenzen
ABS-Leiterin Anette Sommer betont, dass Menschen mit Sehbeeinträchtigung keine leichten Opfer sind. Zentrale Inhalte des Kurses sind Prävention und das Erlernen von Handlungskompetenzen, während der Fokus nicht auf heldenhafter Selbstverteidigung liegt. Moré lehrt den Teilnehmern, wie wichtig es ist, auf Geräusche zu achten und sich selbstbewusst zu verhalten, um potenzielle Angreifer auf Abstand zu halten.
Hilfsmittel wie der Blindenstock und die Notruf-App „NORA“ spielen eine wichtige Rolle in den Übungen. Die Teilnehmer lernen praktische Tipps zur Selbstverteidigung, darunter beispielsweise eine gezielte Ohrfeige, um einen Angreifer zu orientierungslos zu machen. Während des Kurses, der sich über neun Stunden an zwei Tagen erstreckt, üben die Teilnehmer Schläge auf Schlagkissen, wobei einige Schwierigkeiten haben, das Ziel zu erkennen.
Die Rückmeldungen der Teilnehmer sind durchweg positiv. Anette Sommer und Carmen Moré sind sich einig, dass ein solches Angebot regelmäßig stattfinden sollte, um Routinen zu entwickeln. Zudem wird darüber nachgedacht, einen eigenen Verein für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen zu gründen, um die Themen Vertiefung und gemeinsamen Austausch weiter voranzutreiben.
Über ähnliche Initiativen berichtet auch RTL, die auf die steigende Nachfrage nach Selbstverteidigungskursen für Sehbehinderte hinweisen. Diese Kurse sind Teil eines breiteren Engagements, um die Sicherheit und das Selbstbewusstsein dieser Personengruppe zu stärken.