Am 30. Oktober 2023 wurde das Moskauer Gulag-Historienmuseum geschlossen, was sich als ein bedeutender politischer Schritt in der aktuellen russischen Geschichte herausstellt. Die Schließung wurde offiziell mit „Brandschutzverletzungen“ begründet, jedoch bezweifeln viele in der Kulturszene die Glaubwürdigkeit dieser Erklärung. Laut Berichten wurde die Entscheidung von hochrangigen Beamten des Kremls und Sicherheitsdiensten orchestriert, was den politischen Druck auf kulturelle Institutionen verdeutlicht. Des Weiteren ist es bemerkenswert, dass dies insbesondere zwei Wochen nach dem Tag des Gedenkens an die Opfer politischer Repressionen in Russland geschah, als Namen von Opfern des Großen Terrors vorgelesen wurden.

Mit der Entlassung von Roman Romanow, dem vorherigen Direktor des Museums, manifestierte sich die Kontrolle des Staates über den Umgang mit der sowjetischen Vergangenheit. Romanow wurde entlassen, weil er sich weigerte, einen Teil über politische Repressionen aus einer Sonderschau über das Leben in Moskau unter der Sowjetmacht zu entfernen. Diese Forderung kam direkt von Beamten des Kulturministeriums. So wurde das Gulag-Museum, welches als das letzte seiner Art in der russischen Hauptstadt galt, de facto liquidiert und damit ein deutliches Zeichen für die neue Linie der Regierung gesetzt, die zunehmend die Auseinandersetzung mit der stalinistischen Vergangenheit als problematisch erachtet.

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Politische Implikationen der Schließung

Die Schließung des Gulag-Museums wird als symbolischer Schritt angesehen, der die sich verändernde Haltung des Kremls zu sowjetischen Repressionen verdeutlicht. In der überarbeiteten Konzeption zur Erinnerung an die Opfer staatlicher Repression wurden Passagen entfernt, die an die Verfolgung von Millionen erinnerten. Stattdessen wird nun der Fokus auf Russlands nationale Interessen, die Verteidigungsfähigkeit und den Schutz der Gesellschaft gelegt. Diese Neuausrichtung deutet auf einen ideologischen Wandel hin, bei dem historischen Wahrheiten weniger Bedeutung beigemessen wird.

Ein Blick auf die Vorgeschichte zeigt, dass das Gulag-Museum 2001 gegründet wurde und ursprünglich als rein historische Institution konzipiert war. Bis 2017 schien es, als ob das Thema sowjetische Repressionen vom Kreml nicht vollständig aus der Erinnerung verdrängt werden sollte. In dieser Zeit erhielt das Museum sogar Unterstützung von den Moskauer Behörden und zog 2014 in ein modernes Gebäude um. Doch seitdem hat der Druck auf Menschenrechtsorganisationen und guisextratives Museuminstitutionen zugenommen, was sich nun auch im Schicksal des Gulag-Museums niederschlägt.

Zukunft des Museums

Die Schließung kommt in einer Phase, in der auch die Rehabilitierung von Opfern politischer Repression rückgängig gemacht wird. Über 4000 Rehabilitierungsentscheidungen wurden seit Mitte 2022 annulliert, was auf eine klare Anweisung von den höchsten Regierungsebenen hinweist. In dieser Gemengelage könnte es durchaus möglich sein, dass das Gulag-Museum in veränderter Form wiedereröffnet wird, was jedoch die Frage aufwirft, welche Narrative und welche Geschichte darüber vermittelt werden dürfen.

Die Direktorin des Puschkin-Museums äußerte sich kritisch zur Schließung und zu den aktuellen Entwicklungen in der Wahrnehmung der stalinistischen Repressionen in Russland. Ihre Bedenken hängen damit zusammen, dass die Entstehung einer neuen Erzählung über diese dunkle Phase der Geschichte möglicherweise auf eine Legitimierung zeitgenössischer Repressionen abzielt. Die gesamte Situation reflektiert die aktuellen politischen Stellungnahmen und die damit verbundenen Risiken für die Wahrheitssuche in der russischen Gesellschaft.

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Die Schließung des Gulag-Museums ist eine eindringliche Erinnerung daran, wie fragile die Erinnerungskultur in Russland geworden ist und wie sie zunehmend den Vorgaben des politischen Kurses unterworfen ist.

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