Am 17. Januar 2025 fand ein unangekündigter Besuch des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichts (ICC), Karim Khan, in Syrien statt. Der Besuch erfolgte auf Einladung der Syrischen Übergangsregierung und beinhaltete ein Treffen mit dem neuen Führer Ahmad al-Sharaa sowie dem syrischen Außenminister Asaad al-Shaibani. Ziel des Treffens war die Diskussion über die Gewährleistung von Rechenschaftspflicht für angebliche Verbrechen, die im Laufe des syrischen Bürgerkriegs begangen worden sind. Khan wies darauf hin, dass es wichtig sei, Partnerschaften aufzubauen, um die Bemühungen der neuen syrischen Behörden in Bezug auf die Rechenschaftspflicht zu unterstützen.

Die Gespräche fanden im Kontext der Rückkehr des Landes zur Stabilität nach der Absetzung des ehemaligen Präsidenten Bashar al-Assad statt. Al-Sharaa’s Gruppe, Hayat Tahrir al-Sham, führte erfolgreich einen Militärputsch durch, der zu Assads Flucht nach Russland führte. Dies stellt einen bedeutenden Wendepunkt im Bürgerkrieg dar, der seit 2011 über 500.000 Menschen das Leben gekostet hat und massive Menschenrechtsverletzungen zur Folge hatte.

Auch interessant

Rechenschaftspflicht und Übergangsjustiz

Der Bürgerkrieg, der durch anti-regierungskritische Proteste ausgelöst wurde, hat zu einem besorgniserregenden Anstieg von Folter und Verschwindenlassen geführt. Menschenrechtsgruppen schätzen, dass zehntausende Menschen seit Beginn der Proteste vor über einem Jahrzehnt verschwunden sind, viele von ihnen in den Gefängnissen des Assad-Regimes. Die neuen Behörden haben sich verpflichtet, Gerechtigkeit für die Opfer der Gräueltaten, die unter Assads Herrschaft stattfanden, zu suchen. Dabei wurde deutlich, dass Personen, die an Folter beteiligt sind, nicht begnadigt werden sollen.

Ein zentrales Hindernis für die Rechenschaftspflicht bleibt jedoch die Tatsache, dass Syrien kein Mitglied des ICC ist und die Übergabe der Ermittlungen an den Gerichtshof durch den UN-Sicherheitsrat 2014 von Russland und China blockiert wurde. Trotz dieser Herausforderungen gibt es mit der Absetzung von Assad die Möglichkeit für einen nationalen Rechenschaftsprozess und die Chance, dass der ICC letztendlich Zuständigkeit für die in Syrien begangenen Verbrechen erlangt.

Internationale Zusammenarbeit und Beweissicherung

Khans Besuch folgte einem vorherigen Besuch der UN-Organisation, die schwerste Verbrechen in Syrien untersucht. Die Internationale, Unparteiische und Unabhängige Mechanismus für Syrien wurde eingerichtet, um Beweise für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord zu sammeln. Der UN-Rechtskommissar Volker Turk betonte die Notwendigkeit einer Transition zur Gerechtigkeit und ermutigte die neuen Behörden, das Statut des ICC zu ratifizieren und ein nationales Rechtssystem zu entwickeln, das faire Prozesse unterstützt.

Im Rahmen der Bemühungen um internationale Gerechtigkeit ist das Weltrechtsprinzip von Bedeutung, das für die Verfolgung internationaler Verbrechen in vielen Ländern, darunter auch in der Europäischen Union, Anwendung findet. Diese Prinzipien könnten in Zukunft auch auf maßgebliche Weise auf Syrien angewandt werden, allerdings bestehen auch hier zahlreiche Herausforderungen. In der EU unterliegen die Mitgliedstaaten unterschiedlichen Voraussetzungen für die Umsetzung universeller oder extraterritorialer Gerichtsbarkeit, was die Verfolgung von Kriegsverbrechern erheblich erschwert.

Auch interessant

Familien von Vermissten durchsuchen ehemalige Gefängnisse und Massengräber nach ihren Angehörigen, während gleichzeitig die Dringlichkeit, Beweise für internationale Gesetzesverletzungen zu sichern, immer mehr in den Vordergrund rückt. Der Weg zur internationalen Rechenschaftspflicht in Syrien bleibt ungewiss, doch die Gespräche zwischen Khan und den neuen syrischen Führern geben Anlass zur Hoffnung auf Fortschritte in einer seit Jahren tobenden Krise.

Für weitere Informationen zu den Herausforderungen der internationalen Gerechtigkeit und dem Weltrechtsprinzip siehe amnesty.at, Al Jazeera und Al Monitor.