Die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die marinen Lebensräume in der Ostsee sind offensichtlich, und eine aktuelle Studie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) bietet beeindruckende Einblicke. Laut den Forschenden zeigen die Ergebnisse, dass die Spuren menschlicher Nutzungen auch Jahre nach den Aktivitäten auf dem Meeresboden sichtbar bleiben. Diese Erkenntnisse wurden in der Fachzeitschrift Continental Shelf Research veröffentlicht und basieren auf einer Analyse von 2189 km² in der südwestlichen Ostsee, insbesondere in der Kieler Bucht, der Mecklenburger Bucht und der Flensburger Förde.
Die Studie nutzt hochauflösende hydroakustische Methoden, um präzise Beeinträchtigungen durch Aktivitäten wie Grundschleppnetzfischerei, Schifffahrt und Ankerspuren zu dokumentieren. Etwa 36 Prozent der erfassten Flächen zeigen deutliche Beeinträchtigungen. Über 91 Prozent dieser Einflüsse stammen von der Grundschleppnetzfischerei und dem Muscheldredgen. Neben diesen dominierenden Faktoren wurden auch Ankerspuren, Kabel, Pipelines, Gräben und unbekannte Strukturen identifiziert.
Langfristige Effekte und Regeneration
Eine der alarmierendsten Erkenntnisse der Studie ist, dass menschliche Strukturen am Meeresboden über mehr als ein Jahrzehnt bestehen bleiben können. Dies deutet auf eine langsame Regeneration des Ökosystems hin. Besonders betroffen sind feinkörnige Sedimente, aber auch sandige, gemischte und grobkörnige Sedimente wiesen anthropogene Spuren auf. Ein besseres Verständnis der räumlichen Ausdehnung und der langfristigen Auswirkungen dieser physikalischen Belastungen ist entscheidend, um ein nachhaltiges Gleichgewicht zwischen menschlichen Aktivitäten und der Stabilität der Meeresumwelt zu gewährleisten.
Diese Studie bildet die Grundlage für zukünftige Abschätzungen der Entwicklung des Meeresbodens und wurde im Rahmen des Projekts „Menschliche Einflüsse auf den Meeresboden der südwestlichen Ostsee“ finanziert von der Landesanstalt für Umwelt.
Zusätzliche Forschungsprojekte
Die Untersuchung von marinen Lebensräumen beschränkt sich nicht nur auf die wissenschaftlichen Arbeiten der CAU. Zwischen 2009 und 2013 wurde ein umfangreiches Projekt zur Kartierung der Seegrasbestände an der Ostseeküste Schleswig-Holsteins durchgeführt. Dabei kamen Taucher und Schleppkameras zum Einsatz, um mehr als 800 km Meeresboden zu filmen und auszuwerten. Dieses Projekt führte zu einer der genauesten Abschätzungen der Seegrasbestände an deutschen Küsten und war Teil der Doktorarbeit von Philipp Schubert. Begleitend wurden auch die Populationsgenetik der Seegräser und die Auswirkungen menschlicher Abwässer auf stabile Isotopverhältnisse untersucht, was wichtige Erkenntnisse zum Zustand der marinen Biodiversität liefert.
Die Herausforderungen für marine und polare Lebensräume sind jedoch umfassender. Zwischen Schifffahrt, kommerzieller Fischerei, Verschmutzung und den Folgen des Klimawandels – wie dem Anstieg des CO2-Gehalts – sind nur 13 Prozent der ozeanischen Fläche unberührt. Diese Faktoren wirken sich schwerwiegend auf die biologische Vielfalt und die Funktionalität der Ökosysteme aus. Forschungseinrichtungen wie das Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg bündeln ihre Kräfte, um die Reaktionen des Atlantischen Ozeans auf globale Klimaveränderungen zu beschreiben. Diese Erkenntnisse sind entscheidend für internationale Gremien wie den Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) und die Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES).