Das Modellprojekt der Gemeindenotfallsanitäter (GNFS) in Niedersachsen gewinnt zunehmend an Bedeutung. Seit 2019 können Rettungsleitstellen wie die Großleitstelle Oldenburger Land und die Leitstelle Vechta nicht nur Rettungswagen entsenden, sondern auch geschulte Gemeindenotfallsanitäter einsetzen. Diese Maßnahme zielt darauf ab, Notaufnahmen und Rettungsdienste von überflüssigem Stress zu entlasten. Insa Seeger, eine Versorgungsforscherin, analysiert die Auswirkungen dieses neuen medizinischen Angebots auf die Gesundheitsversorgung in der Region und hat dabei bereits Tausende von Einsatzprotokollen ausgewertet.

Eine zentrale Erkenntnis von Seeger ist, dass über 60% der Einsätze der GNFS keinen dringend behandlungsbedürftigen Versorgungsbedarf aufwiesen. Der Einsatz eines GNFS Fahrzeuges, das mit einem Minivan und geeigneter medizinischer Ausstattung ausgerüstet ist, reicht oft aus, um den Patienten adäquate Hilfe zu leisten. Dazu zählen beispielsweise Beratungsgespräche oder die Verabreichung von Medikamenten. Lediglich in einem Drittel der Fälle wurde empfohlen, die Notaufnahme aufzusuchen, und in seltenen Fällen war eine sofortige Notfalltherapie notwendig.

Entlastung der Notaufnahme und Einsatzschwerpunkte

Die GNFS sind insbesondere in der Pflegeversorgung aktiv. Daten zeigen, dass über 50% der versorgten Patienten älter als 65 Jahre sind. Seeger hebt hervor, dass ein erheblicher Teil der Notrufe Fälle betrifft, die nicht als klassische Notfälle gelten. Zudem können GNFS gezielt bei Problemen mit der Blasenkatheterversorgung helfen, was den regulären Notfallsanitätern oft nicht möglich ist.

In einer retrospektiven Beobachtungsstudie, die vom 01.07.2019 bis 30.06.2020 durchgeführt wurde, analysierten Forscher der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg 2.358 Einsatzprotokolle. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 80,8 Jahren, und 55% konnten vor Ort versorgt werden. Sowohl die Verbesserung der medizinischen Versorgung für ältere Menschen als auch die Entlastung der regulären Notfalldienste stehen im Fokus dieser innovativen Maßnahme.

  • Bis zu 79,4% der Einsätze umfassten Beratungsgespräche.
  • Über 84% der Patienten mit Katheterproblemen wurden erfolgreich vor Ort versorgt.
  • Der Anteil der Anrufe, die keinen klassischen Notfall darstellten, hat zugenommen.

Ein Schritt in Richtung Regelversorgung

Das Projekt hat bereits politische Debatten ausgelöst, da es derzeit noch nicht in die Regelversorgung übergegangen ist. Während Seeger zunehmend als Expertin in politischen Gremien fungiert, läuft eine weitere Studie zur Inanspruchnahme und den Effekten der GNFS. Bisher zeigen die Umfragen unter den Patienten, dass diese durchweg mit der Versorgung durch die GNFS zufrieden sind.

Die GNFS bieten nicht nur eine flexible Versorgung in ländlich geprägten Gebieten, sondern sind auch unter den besonderen Bedingungen der Epidemie und der alternden Gesellschaft besonders gefordert. Viele der durch die GNFS versorgten Patienten hatten zuvor keinen Arzt kontaktiert, was die Vielseitigkeit und Notwendigkeit dieses neuen Ansatzes unterstreicht.

Das Pilotprojekt ist mittlerweile in vier niedersächsischen Landkreisen aktiv. In der Region mit rund 587.023 Einwohnern und einer Mischung aus städtischen und ländlichen Strukturen schaffen die GNFS eine Brücke zwischen ambulanter Versorgung und klassischer Notfallrettung. Viele Experten, einschließlich Seeger, plädieren für eine Verstetigung der GNFS zur bedarfsgerechten und ressourcenschonenden medizinischen Versorgung.

Mit diesen innovativen Änderungen wird die Gesundheitsversorgung in der Region nicht nur entlastet, sondern auch auf die Realitäten des demografischen Wandels angepasst. Die künftig anstehenden politischen Entscheidungen könnten wesentlich darüber bestimmen, wie das Modellprojekt weiterentwickelt oder gegebenenfalls in die Regelversorgung überführt wird.

Die positive Resonanz seitens der Patienten zeigt, dass der Einsatz von Gemeindenotfallsanitätern ein richtiger Schritt in die Zukunft ist und das Potenzial hat, die Gesundheitsversorgung in Niedersachsen deutlich zu verbessern. Weitere Details und Studienergebnisse sind in den nächsten Monaten zu erwarten.

Für weitere Informationen zu dem Thema besuchen Sie bitte die folgenden Links: UOL, NCBI, PMC.