Cuxhaven

„Ein Tag im Leben an Bord: Seeleute und ihre Sehnsüchte in Cuxhaven“

Inga Thom von der Seemannsmission Cuxhaven besucht Seeleute an Bord des Chemie-Tankers Corelli im Cuxhavener Hafen, um ihnen während ihrer langen Abwesenheit von der Familie Unterstützung zu bieten und ihnen den Kontakt zu ihren Liebsten durch einen bereitgestellten Internet-Router zu erleichtern, was besonders in der aktuellen Zeit von großer Bedeutung ist.

Im warmen Aufenthaltsraum des Chemie-Tankers Corelli im Cuxhavener Hafen ist es trotz der Anstrengung der Arbeit an Bord alles andere als still. Soul aromas von frisch gebackenen Zimtschnecken durchziehen den Raum und heben die Stimmung der Seeleute. Inga Thom von der Seemannsmission Cuxhaven, die seit drei Jahren in dieser Funktion tätig ist, genießt diesen Moment. Sie weiß, wie wichtig Essen für die Moral der Seeleute ist und schätzt die wertvolle Verbindung, die sie zu den Männern auf dem Schiff aufbauen kann.

Die 41-jährige Inga, unterstützt von einem kleinen Team aus Ehrenamtlichen und einem Bundesfreiwilligen, hat sich darauf spezialisiert, den Seeleuten in ihrer oft isolierten Lebensweise beizustehen. Sie kommt aus Schleswig-Holstein und besucht regelmäßig Seeleute aus verschiedenen Ländern, darunter viele aus den Philippinen und Osteuropa. Mit einem Lächeln spricht sie über ihre Fähigkeit, durch das Erlernen von Akzenten und Dialekten eine Brücke zur Verständigung zu bauen, was die Verbindung zu den Matrosen vertieft.

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Moderne Kommunikation an Bord

Ein zentrales Anliegen von Inga ist es, den Seeleuten den Kontakt zu ihren Familien zu erleichtern. Der Schiffskoch Frederic Macauba, der seit fünf Monaten auf See ist und seine Familie in Manila vermisst, berichtet von seinen Gefühlen des Vermissens und der Einsamkeit, die besonders morgens und abends stark werden. Um diese Distanz zu überbrücken, brachte Thom einen Internet-Router an Bord, der den Seeleuten die Möglichkeit gibt, unbegrenzt mit ihren Lieben zu videotelefonieren. Dies ist eine wichtige Initiative, da die Internet-Verbindung in vielen Häfen oft unzuverlässig und teuer ist.

Die Deutsche Seemannsmission hat eine lange Tradition und wurde 1886 gegründet, um Seeleuten Unterstützung zu bieten. Mit derzeit etwa 600 Mitarbeitenden weltweit kümmern sie sich um die Bedürfnisse der Seeleute, versorgen sie mit SIM-Karten, helfen beim Währungswechsel oder organisieren gesellige Abende im Seemannsclub. Cuxhaven ist nur einer von 33 Standorten in Deutschland und weiteren 15 Ländern.

Eine abwechslungsreiche Arbeit im Hafen

Thoms Engagement führt sie auch auf das Frachtschiff BBC Coral, wo sie bereits bei ihrem dritten Besuch von Kadett Igor Svitkin freundlich empfangen wird. Der Umgang mit den Seeleuten ist herzlicher geworden; sie schütteln sich die Hände und lachen, wenn sie sich an vergangene Gespräche erinnern. Dieser persönliche Kontakt ist für Inga essenziell, da sie während ihrer Besuche einen Einblick in das Leben der Seeleute erhält. Einmal auf dem Schiff angekommen, betrachtet sie den Hafen und die geschäftigen Aktivitäten, die um sie herum stattfinden.

Diese Kluft zwischen landseitigen und maritimen Lebensrealitäten wird ihr während der Gespräche mit Offizieren wie Nicolai Cernev aus der Republik Moldau besonders bewusst. Viele Seeleute verbringen ihre Geburtstage alleine, fernab von ihren Familien, was für sie eine gängige, aber oft belastende Erfahrung ist. Am Beispiel von Igor, der kürzlich seinen Geburtstag feierte, zeigt sich der Wert einer kleinen Feier im Seemannsclub, die für die Seeleute einen Lichtblick in ihrem Arbeitsalltag darstellt.

Thom weiß, wie wichtig selbst die kleinsten Gesten sein können; ob es sich um ein Geschenk, ein offenes Ohr oder einfach nur einen freundlichen Austausch handelt. Ihre Besuche vermitteln den Seeleuten, dass sie nicht allein sind, sondern Teil einer größeren Gemeinschaft, die sich um ihre Belange kümmert. Das menschliche Miteinander ist für Inga der Hauptgrund, warum sie sich für diesen Beruf entschieden hat.

Die Seefahrer erzählen Thompson gerne von ihren Erlebnissen, wie der Duft von Tannenbäumen, der während eines Weihnachtsbesuchs bei einem der Schiffe durch die Gänge zog und somit ein Stück Heimat auf das Meer der Einsamkeit brachte. Jedes Gespräch bringt neue Perspektiven und wertvolle Einsichten in die unterschiedlichen Kulturen, die Thom bei ihrer täglichen Arbeit begegnen. Diese Vielfalt bereichert ihr Leben im Hafen, und sie empfindet große Dankbarkeit für die Begegnungen, die ihre Aufgabe mit sich bringt.

Ein Beruf voller Begegnungen

Diese menschlichen Verbindungen sind der Kern ihrer Mission. Während sie das tägliche Leben der Seeleute beobachtet, wird ihr klar, wie sehr sich ihre Welt von der der Landbewohner unterscheidet. Ihre Fähigkeit, Verständnis zu zeigen, während sie gleichzeitig die Professionalität bewahrt, macht Inga Thom zu einer wichtigen Anlaufstelle an Bord. Die Tatsache, dass rund 1,8 Millionen Seeleute weltweit auf den Ozeanen unterwegs sind, verdeutlicht die Relevanz ihrer Arbeit und die Notwendigkeit, diesen Menschen, die oft monatelang von zu Hause entfernt sind, Unterstützung zu bieten.

Die Herausforderungen der Seeleute auf See

Das Leben auf See birgt zahlreiche Herausforderungen. Seeleute müssen oft monatelang von ihren Familien und Freunden getrennt bleiben, was zu emotionalen Belastungen führt. Laut einer Studie der Seafarers International Research Centre (SIRC) glauben mehr als 80 % der Seeleute, dass Isolation und Einsamkeit ihre mentalen Gesundheitsprobleme verschärfen. Gleichzeitig sind Seeleute häufig mit physischen Anforderungen konfrontiert, die durch sich verändernde Wetterbedingungen und operative Verantwortung verstärkt werden.

Eine Umfrage des International Seafarers’ Welfare and Assistance Network (ISWAN) hat ergeben, dass etwa 25 % der Seeleute angaben, während ihrer Zeit auf See mit signifikanten Stressproblemen konfrontiert zu sein. Diese Faktoren erfordern eine starke psychische Belastbarkeit, die durch die Unterstützungsangebote der Seemannsmissionen, wie Inga Thom sie in Cuxhaven bietet, gemildert werden kann.

Die Rolle der Seemannsmissionen weltweit

Die globale Präsenz der Seemannsmissionen spielt eine entscheidende Rolle in der Unterstützung von Seeleuten. In Deutschland ist die Deutsche Seemannsmission aktiv, die eine von vielen ist, die sich für die Belange von Seeleuten in verschiedenen Häfen weltweit einsetzt. Diese Einrichtungen bieten nicht nur praktische Hilfe, wie den Zugang zu Internet und Kommunikation, sondern fördern auch soziale Interaktionen und emotionale Unterstützung. In über 200 Hafenstädten weltweit sind Seemannsmissionen aktiv, die jährlichen mehr als 300.000 Seeleuten zur Seite stehen.

Zusätzlich zu den Seemannsmissionen stehen Seeleuten auch Organisationen wie die Mission to Seafarers und die Sailors‘ Society zur Verfügung, die ähnliche Dienste anbieten. Diese Organisationen kümmern sich um die seelischen und sozialen Bedürfnisse der Seeleute, indem sie Programme zur psychischen Gesundheit fördern und im Bedarfsfall sogar Rechtsberatung anbieten. Die Unterstützung dieser Organisationen ist besonders in Krisenzeiten von entscheidender Bedeutung.

Wirtschaftliche Aspekte der Seefahrt

Die maritime Industrie ist ein zentraler Bestandteil der globalen Wirtschaft. Rund 90 % des internationalen Handels wird über den Seeweg abgewickelt. Dies bedeutet, dass die Sicherheit und das Wohlbefinden der Seeleute direkte Auswirkungen auf die Wirtschaft haben. Laut der International Maritime Organization (IMO) gibt es über 1,8 Millionen Seeleute, die auf weltweit etwa 74.000 Handelsschiffen tätig sind.

Neben der persönlichen Herausforderung sehen sich Seeleute auch mit wirtschaftlichen Aspekten konfrontiert. Lange Einsätze können während schwacher Marktlagen weniger attraktiv werden, insbesondere wenn die Verträge von Reedereien stark schwanken. Eine Umfrage des Baltic and International Maritime Council (BIMCO) zeigte, dass die Gehälter der Seeleute in den letzten Jahren stark geregelten wurden, was zu Unzufriedenheit in der Branche führt.

Die Verbindung zwischen der wirtschaftlichen Stabilität der Reedereien und dem Wohlergehen der Seeleute ist eng. Die Bereitstellung von Unterstützung und Dienstleistungen durch Organisationen wie die Seemannsmissionen kann nicht nur den Seefahrern helfen, sondern letztlich auch der gesamten maritimen Industrie zugutekommen.

Lebt in Steenfeld und ist seit vielen Jahren freier Redakteur für Tageszeitungen und Magazine im DACH-Raum.
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