Die niederländische Einwanderungsbehörde (IND) sieht sich aufgrund steigender Asylanträge mit einem enormen Rückstau konfrontiert, was zu erheblichen Verzögerungen bei der Bearbeitung führt. Im Jahr 2024 stellte die IND fest, dass die Bearbeitungszeiten für Asylanträge aufgrund dieser Überlastung auf bis zu 15 Monate gestiegen sind. Diese Situation führt auch dazu, dass viele Migranten erfolgreich Klage gegen die IND erheben. Im Jahr 2024 wurden fast 30.000 Klagen eingereicht, was dazu führte, dass die Behörde insgesamt 36,8 Millionen Euro als Entschädigung an Asylbewerber und deren Familien zahlte – eine Zahl, die mehr als dreimal so hoch ist wie im Vorjahr, als nur 11 Millionen Euro gezahlt wurden.

Die IND sieht sich zunehmend unter Druck gesetzt, da 87 Prozent der Berufungen abgelehnter Asylbewerber von den Gerichten bestätigt werden. Gleichzeitig ist die Zahl der neuen Asylanträge leicht auf über 32.000 gesunken, während der Rückstand an unerledigten Anträgen auf fast 51.000 angestiegen ist. Diese Entwicklung hat auch Auswirkungen auf die Anerkennungsquote, die von 78 Prozent im Jahr 2022 auf 58 Prozent im Jahr 2024 gefallen ist. Die Behörde kämpft auch mit einer wachsenden Anzahl von Anträgen auf Familienzusammenführung, für die über 75.000 Personen derzeit auf eine Entscheidung warten. Trotz der gesunkenen Anerkennungsquote werden jedoch 86 Prozent der Anträge auf Familienzusammenführung bewilligt, wobei die durchschnittliche Wartezeit dafür zwischen 70 und 84 Wochen liegt.

Reformpläne der Regierung

In Anbetracht dieser Herausforderungen plant die niederländische Koalitionsregierung eine restriktivere Asylpolitik. Geplant ist unter anderem eine Begrenzung der Asylgenehmigungen auf maximal drei Jahre sowie eine Verschärfung der Gesetze zur Familienzusammenführung. Die IND hat zudem gefordert, das derzeitige Strafsystem abzuschaffen, da es nicht zu schnelleren Entscheidungen führt und die juristische Arbeitslast für die Behörde weiter erhöht.

Die rechtliche Lage hinsichtlich des Familiennachzugs, insbesondere zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, bleibt ebenfalls komplex. Eltern von minderjährigen Drittstaatsangehörigen, die unbegleitet im Bundesgebiet leben, haben Anspruch auf einen Nachzug, sofern kein sorgeberechtigter Elternteil bereits in Deutschland lebt. Dies gilt auch für Adoptiveltern, wobei jedoch relevante Vorgaben zur Nachweisführung von Sprachkenntnissen oder finanzieller Absicherung nicht benötigt werden.

Familienzusammenführung und jüngste Urteile

Nach dem EuGH-Urteil vom 12. April 2018 und dem späteren Urteil vom 1. August 2022 bleibt ein Kind, das bei Einreise unter 18 Jahren war, auch während des Verfahrens noch minderjährig, wenn der Antrag auf Familiennachzug innerhalb von drei Monaten nach der Flüchtlingsanerkennung gestellt wird. Diese Regelungen zeigen, dass die Rechtslage zunehmend an die Bedürfnisse unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge angepasst wird, besonders im Hinblick auf die Fristregelungen und Nachzugsansprüche.

Während das Auswärtige Amt anfangs die Anwendung des EuGH-Urteils ablehnte, wurden nun Weisungen erlassen, um die Bedingungen für den Familiennachzug gemäß der europäischen Richtlinien umzusetzen. Diese Entwicklung wird als positiv für die betroffenen Familien und insbesondere für die unbegleiteten Kinder angesehen, die auf eine schnellere Zusammenführung mit ihren Eltern hoffen können.

Insgesamt stehen die Niederlande vor der Herausforderung, sowohl die rechtlichen Rahmenbedingungen als auch die praktischen Abläufe im Asylverfahren und der Familienzusammenführung zu reformieren, um humanen und rechtlichen Ansprüchen gerecht zu werden.

Weitere Informationen zur Familienzusammenführung sind im Dokument der Fachstelle Einwanderung zu finden.