Ein neues Schiedsgericht soll die Rückgabe von nationalsozialistischem Raubgut in Deutschland erheblich erleichtern. Dem Bundeskabinett zufolge wurde einer Reform des Rückgabeverfahrens bereits zugestimmt. Diese Entscheidung ergab sich während des 21. Kulturpolitischen Spitzengesprächs in Berlin, wo sich Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände auf die Notwendigkeit eines Schiedsgerichts einigten. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) bezeichnete den Beschluss als Neuland und puren Fortschritt zur Verbesserung, Vereinfachung und Beschleunigung der Rückgabe von NS-Raubgut.

Ein zentrales Merkmal des neuen Schiedsgerichts ist die „einseitige Anrufbarkeit“. Während bislang beide Parteien — die Nachfahren der ehemaligen Besitzer und Museen — zustimmen mussten, wird es künftig auch den Nachfahren der Geschädigten ermöglicht, das Schiedsgericht allein anzurufen. Dies soll insbesondere dann von Bedeutung sein, wenn Rückgaben nach einem Vorverfahren strittig bleiben.

Relevanz und Reaktionen

Trotz der Fortschritte zeigen sich Kritiker, darunter Anwälte, Historiker und Erben von Geschädigten, besorgt über die neuen Regelungen. Sie äußerten in einem offenen Brief an Kanzler Olaf Scholz, dass sie befürchten, die Situation der Opfer könnte sich durch das neue Verfahren, das die bestehende Beratende Kommission ersetzt, verschlechtern. Roth konterte, dass Deutschland mit dieser Reform seiner historischen Verantwortung besser gerecht werde.

Das Schiedsgericht wird institutionell von Bund, Ländern, kommunalen Spitzenverbänden sowie der Jewish Claims Conference und dem Zentralrat der Juden vermutlich bis Ende 2025 ins Leben gerufen. Die Kosten für die Arbeit des Schiedsgerichts werden paritätisch von Bund und Ländern getragen, während eine Evaluation des Verfahrens nach den ersten zehn Schiedssprüchen oder spätestens nach drei Jahren vorgesehen ist.

Historischer Kontext der Restitution

Die Einführung des neuen Schiedsgerichts steht auch im Kontext der Washingtoner Erklärung von 1998, die eine internationale Vereinbarung zum Umgang mit NS-Raubkunst darstellt. Diese Erklärung appellierte an Kulturinstitutionen, ihre Bestände auf NS-Raubgut zu überprüfen. Deutschland war ein unterzeichnender Staat und stellte im Jahr 1999 klar, dass das Augenmerk nicht nur auf Kunstwerken, sondern auf allen Kulturgütern liegen müsse. Die Rückgabe des Gemäldes „Borussia“ im Jahr 2000 an die Erben der Familie von Mendelssohn wurde durch die Washingtoner Prinzipien möglich gemacht, die nachweisbaren Zwangsverkäufen und die Berücksichtigung der Verluste in der Nachkriegszeit betonen.

Laut Experten, wie Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, wird das Schiedsgericht als Schritt hin zu einem bindenden Restitutionsgesetz gewertet. Gideon Taylor, Präsident der Claims Conference, fordert ein solches Gesetz, um rechtliche Hürden zu überwinden und die Rückgabe von NS-Raubgut zu erleichtern.

Die Debatten um NS-Raubkunst und die damit verbundenen Prinzipien dauern an, wobei die Finanzierung der Provenienzforschung und der Zugang zu Archivmaterial immer wieder thematisiert werden. Die letzte Reform, die im März 2023 erarbeitet wurde, soll dazu beitragen, faire Lösungen und Transparenz in den Rückgabeprozessen zu gewährleisten.