Der neue Berliner „Tatort“ mit dem Titel „Vier Leben“ liefert einen mutigen Politthriller, der sich mit brisanten Themen wie Lobbyismus, Aktivismus und den Verlust westlicher Werte in Afghanistan auseinandersetzt. Die Veranstaltung am 16. Februar 2025 genießt besondere Aufmerksamkeit, nicht nur wegen der packenden Handlung, sondern auch aufgrund der Premiere nur eine Woche vor den Bundestagswahlen. Dies hat die Auswirkungen der Afghanistan-Thematik, insbesondere im Zusammenhang mit Anschlägen und illegaler Migration, stark in den Fokus gerückt.
Die Geschichte spielt an einem einzigen Tag in Berlin, von 7:09 bis 21:17 Uhr, und führt die Zuschauer ins Kommissariat am Flughafen Tegel. Die Protagonistin, Soraya Barakzay, dargestellt von Pegah Ferydoni, ist eine ehemalige Richterin aus Afghanistan, die dem Westen beim Aufbau einer Demokratie half und während der Machtübernahme der Taliban im Sommer 2021 zurückgelassen wurde. Diese dramatische Epoche, in der die Taliban blutige Racheakte gegen Ortskräfte verübt haben, wird eindringlich thematisiert.
Ein Mord mit weitreichenden Folgen
Der „Tatort“ beginnt mit dem Mord an Jürgen Weghorst, einem ehemaligen SPD-Talent und Lobbyisten, der am Bahnhof Friedrichstraße von einem Scharfschützen erschossen wird. Weghorst war im Afghanistan-Untersuchungsausschuss geladen und hatte in den Monaten zuvor eine Delegation nach Kabul geleitet. Seine Verstrickungen in eine Korruptionsaffäre und die Brisanz seiner Bedrohung verstärken die Spannungen der Handlung. Der erfahrene Ermittler Robert Karow und seine Kollegin Susanne Bonard müssen sich nicht nur mit der Aufklärung des Mordes auseinandersetzen, sondern auch mit den Einflussnahmen von Aktivisten, Politikern und Ministerien.
Kurz nachdem Weghorst fällt, wird eine politische Kommunikations-Expertin erschossen, was Karows emotionale Betroffenheit verstärkt. Diese Entwicklung unterstreicht die Ernsthaftigkeit der Thematik, die die vergangenen Versäumnisse beim Schutz afghanischer Ortskräfte in den Fokus rückt. Der Abschlussbericht der Bundestags-Enquete-Kommission hat die unzureichenden Schutzmaßnahmen für Ortskräfte und ihre Angehörigen bereits scharf kritisiert, und diese Problematik wird durch die Figuration von Soraya Barakzay weiter vertieft.
Ein Politthriller mit aktuellen Bezügen
Mark Monheim, der Regisseur, sowie Drehbuchautor Thomas André Szabó setzen auf eine direkte und schnörkellose Erzählweise, die den Zuschauer von Beginn an fesselt. Spannung wird erzeugt durch klassische Stilmittel des Genres wie eingeblendete Uhrzeiten und das Zusammenspiel der beiden Hauptfiguren, das als unterhaltsam beschrieben wird. Dennoch gibt es auch kritische Stimmen: Einige Momente der Spannung flachen zeitweise ab und der Showdown in einer Tiefgarage wird als etwas konstruiert wahrgenommen.
Die Brisanz der Thematik wurde zum Teil durch die jüngsten politischen Diskussionen über die Evakuierung aus Kabul verstärkt. Bundeskanzler Olaf Scholz bezeugte im Afghanistan-Untersuchungsausschuss des Bundestages und unterstützte die ehemaligen Minister für ein geregeltes Verfahren zur Aufnahme von Ortskräften, um zu verhindern, dass „die falschen Leute“ nach Deutschland gelangen. Die Debatten um die Bundesregierung und die Verantwortung für die Helden der Evakuierungen kommen zu einem Höhepunkt, gerade als das Publikum sich mit dem Schicksal von Soraya Barakzay identifizieren kann, die persönliche Verluste hinnehmen musste und sich in Deutschland für eine Fluchthilfe-Organisation engagiert.
Insgesamt hebt sich „Vier Leben“ durch seine mutige Thematisierung aktueller politischer Probleme ab und ist ein eindrucksvolles Zeugnis für die Herausforderungen, vor denen ehemalige Ortskräfte stehen. Der „Tatort“, der weit über einfache Kriminalgeschichten hinausgeht, wird für seine kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Werten und der moralischen Verantwortung gelobt.