In einer aktuellen Entwicklung hat die Stadt München ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Unterstützung der Opfer sexuellen Missbrauchs vorgestellt. Im Rahmen dessen werden 35 Millionen Euro bereitgestellt, um Betroffenen aus Heimen und Pflegefamilien, die zwischen 1945 und 1990 untergebracht wurden, zu helfen. Diese Initiative wurde durch ein wissenschaftliches Forschungsprojekt angestoßen, das die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der Jugendhilfe vorantreibt. Betroffenen, die sich seit 2021 bei einer Anlaufstelle gemeldet haben, stehen nun Soforthilfen und Anerkennungsleistungen zur Verfügung. Laut Informationen von pnp.de haben bislang 210 Anträge auf Unterstützung Eingang gefunden.

Die Erhebung von Schäden und die Begleitung der Betroffenen stehen dabei im Mittelpunkt. Bisher wurden 4,3 Millionen Euro an Soforthilfen sowie 930.000 Euro an Anerkennungsleistungen ausgezahlt. Matthias Katsch von der Betroffeneninitiative „Eckiger Tisch“ hat das Vorgehen der Stadt gelobt, fordert jedoch mehr politische Unterstützung und einen Staatsakt im Parlament, um den Opfern eine Stimme zu geben.

Ein kritischer Blick auf Missbrauchsnetzwerke

Parallel zu den Maßnahmen in München wurde eine umfassende Studie über bundesweite Netzwerke der Jugendhilfe veröffentlicht, die sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche bis in die 2000er Jahre dokumentiert. Diese Studie, die von der Universität Hildesheim in Auftrag gegeben wurde, bezieht sich insbesondere auf das umstrittene Kentler-Experiment, bei dem Kinder bewusst an pädophile Pflegeväter vermittelt wurden. ZDF berichtet, dass eine Vielzahl von Akteuren in leitenden Positionen des Berliner Landesjugendamtes über Jahrzehnte pädophile Positionen verteidigten.

Die Studie hat ergeben, dass diese Netzwerke durch ein „old boys network“ gedeckt wurden, bestehend aus Sozialpädagogen, Behördenvertretern und Wissenschaftlern. Akteure wie der wissenschaftliche Berater Helmut Kentler, der von 1967 bis 1976 eine wichtige Rolle am Pädagogischen Zentrum Berlin spielte, sind dafür mitverantwortlich. Ihre Praktiken wurden im Kontext der Reformpädagogik oft legitimiert und in Kauf genommen, was dazu führte, dass sexualisierte Gewalt über viele Jahre hinweg nicht ausreichend hinterfragt wurde.

Die unabhängige Beauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, hat die Dringlichkeit einer systematischen Analyse dieser Missbrauchsstrukturen betont. Die Polizei verzeichnete allein im Jahr 2022 über 17.400 Opfer von sexualisierter Gewalt. Der Handlungsbedarf für Reformen in der Jugendhilfe ist folglich enorm.

Aufarbeitung und Forderungen

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat ebenfalls Maßnahmen zur Aufarbeitung in Auftrag gegeben, nachdem erste Vorstudien zu Kentlers Wirken im kirchlichen Raum im Juli 2023 vorgelegt wurden. Die Wissenschaftler um Professor Wolfgang Schröer haben bestätigt, dass die genannten Strukturen bis heute wirkmächtig sind und fordern eine kritische Überprüfung problematischer Fallverläufe und Akteneinsichten. Diese Einsichten könnten entscheidend für die Aufklärung und die Sichtbarmachung von Tätern und Netzwerken sein, erfordern jedoch politischen Willen und Umsetzung.

Zusammenfassend zeigen sowohl die Handlung der Stadt München als auch die just präsentierten Studien und Analysen, dass die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der Jugendhilfe sowohl dringend als auch komplex ist. Es bleibt abzuwarten, wie sich die politischen Rahmenbedingungen entwickeln und ob die erforderliche Unterstützung für die Betroffenen gegeben wird.

Für weitere Informationen zu diesen Themen und Entwicklungen findet man auf evangelisch.de umfassende Einblicke in die aktuelle Diskussion.