Im katholischen Canisius-Kolleg in Berlin wurden über viele Jahre hinweg Schüler sexuell missbraucht. Der Skandal wurde 2010 öffentlich, und mittlerweile, 15 Jahre nach dessen Aufdeckung, fordern die betroffenen ehemaligen Schüler die Aussetzung der Verjährung von Entschädigungsansprüchen. Matthias Katsch, einer der Betroffenen, hat dramatische Berichte über systematischen Missbrauch und ritualisierte Gewalt in den 1980er Jahren veröffentlicht. Seine Erfahrungen wurden durch Gespräche mit anderen ehemaligen Schülern, die ähnliche Erlebnisse gemacht hatten, verstärkt.

Die katholische Kirche hat die Entschädigungszahlungen anfangs pauschal mit 5.000 Euro angeboten, hat diesen Betrag allerdings später auf einen Durchschnitt von rund 20.000 Euro erhöht. Allerdings vermeidet die Kirche den Begriff „Entschädigung“ und lehnt direkte Verhandlungen mit den Opfern ab. Die Initiative „Eckiger Tisch“, die von den Betroffenen gegründet wurde, fordert nun von der Politik, die Verjährung in solchen Fällen auszusetzen und einen Entschädigungsfonds ins Leben zu rufen. Katsch kritisiert auch die finanzielle Situation der Kirche und zieht einen Vergleich zu den Entschädigungen in Irland und den USA.

Missbrauch und dessen Aufarbeitung

Der Generalvikar Manfred Kollig betont die Schwierigkeiten, den verursachten Schaden finanziell zu beziffern. Katsch und andere betroffene Personen empfinden die bisherigen Präventionsmaßnahmen der Kirche als unzureichend. Trotzdem hat das Canisius-Kolleg Schritte zur Verbesserung unternommen. Die Schule hat ein umfassendes Präventionsprogramm implementiert, das Kinder- und Jugend- sowie Vertrauensstellen einbezieht, und Lehrer erhalten regelmäßige Fortbildungen.

Auf dem Schulgelände befinden sich sowohl historische als auch neue Gebäude, darunter auch das graue zweistöckige Gebäude, das früher Schauplatz der Verbrechen war. Schulleiterin Gabriele Hüdepohl beschreibt das Schockgefühl im Kollegium, als die Missbrauchsfälle öffentlich wurden. Während einige Lehrer eine Aufklärung forderten, hatten andere Angst um ihren Arbeitsplatz und den Ruf der Schule.

Forderungen nach wissenschaftlicher Aufarbeitung

Matthias Katsch hat in seinem Buch auch die dringende Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Aufarbeitung der Vergangenheit des Canisius-Kollegs betont. Dies wird von Johannes Siebner, dem Leiter des Jesuiten-Ordens in Deutschland, zurückgewiesen, der klarstellt, dass die Aufarbeitung nicht vernachlässigt wurde. Trotz der Veröffentlichung mehrerer Berichte bleiben jedoch wichtige Fragen zu den Tätern und deren Zusammenhängen bis heute unbeantwortet.

Heutige Schüler des Canisius-Kollegs scheinen Vertrauen in die Institution zu haben und glauben, dass sie aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat. Auf gesellschaftlicher Ebene wird der Umgang mit sexuellem Missbrauch in Kirchen jedoch weiterhin intensiv diskutiert. So befasst sich auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) mit der individuellen Aufarbeitung sexualisierter Gewalt und hat dazu eigene Standards entwickelt. Eine „Gemeinsame Erklärung“ zwischen EKD, Diakonie Deutschland und der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Missbrauchs (UBSKM) wurde bereits unterzeichnet, um eine umfassende und transparente Aufarbeitung sicherzustellen.

Der Fall des Canisius-Kollegs, mit all seinen Facetten und Forderungen, steht somit stellvertretend für einen größer werdenden Diskurs über die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in Kirchen in Deutschland, der weiterhin großen öffentlichen und politischen Druck erfordert.