Die jüngsten Äußerungen von CDU-Chef Friedrich Merz zur deutschen Staatsangehörigkeit haben eine Welle der Empörung ausgelöst. Merz sprach sich in einem Interview dafür aus, bestimmten Straftätern, insbesondere kriminellen Doppelstaatlern, die deutsche Staatsangehörigkeit zu entziehen. Diese Pläne stoßen auf heftige Kritik aus der politischen Opposition, die von einem „Tabubruch“ spricht und eine mögliche Schaffung von „Bürgern zweiter Klasse“ fürchtet. So äußert sich die SPD-Vorsitzende Saskia Esken besorgt über die Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts durch Merz‘ Aussagen. Auch der Grünen-Abgeordnete Kassem Taher Saleh bezeichnete die Vorschläge als unnachvollziehbar und warnt vor der Spaltung der Gesellschaft.

Die Debatte entzündet sich ebenso an historischen Vergleichen. Linken-Politikerin Clara Bünger sieht Parallelen zur NS-Zeit und stellt die Frage nach der gesellschaftlichen Verantwortung im Umgang mit der Staatsangehörigkeit. Historiker Jürgen Zimmerer warnt vor einem Bruch mit dieser Verantwortung, während Merz gleichzeitig die doppelte Staatsbürgerschaft als Hauptproblem identifiziert und eine Verschärfung der Regelungen anregt. Er betont, dass ausländische Straftäter nach einer zweiten Straftat das Land verlassen sollten.

Kritik an den Vorschlägen

Die Reaktionen auf Merz‘ Vorschläge sind einhellig negativ. Der Linken-Abgeordnete Susanne Ferschl zieht Vergleiche zur diskriminierenden Gesetzgebung der Nationalsozialisten, während Ökonom Marcel Fratzscher vor einer potenziellen Polarisierung der Gesellschaft warnt. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Isabel Cademartori kritisiert die Denkweise, die zwischen „echten“ und „unechten“ Deutschen unterscheidet. Dies könnte als Grundlage für eine so genannte „Zweiklassengesellschaft“ dienen, was in der politischen Diskussion derzeit weitreichende Wellen schlägt.

Ein zentraler Aspekt der Diskussion sind die rechtlichen Möglichkeiten der Staatsangehörigkeitsentziehung in Deutschland. Laut Artikel 16 des Grundgesetzes darf die deutsche Staatsangehörigkeit nur in sehr engen Grenzen, entsprechend einem Gesetz, entzogen werden, ohne dass der Betroffene staatenlos wird. Derzeit listet das Staatsangehörigkeitsgesetz bereits einige Gründe für den Verlust der Staatsangehörigkeit auf, jedoch nicht die von Merz angesprochenen Umstände. Ein Vorschlag zur Staatsbürgerschaftsentziehung für Clanmitglieder aus dem Jahr 2019 blieb bisher ohne Umsetzung.

Internationale Vergleiche

Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass die Regelungen zur Staatsangehörigkeit unterschiedlich ausgestaltet sind. So hat KAS festgestellt, dass in Ländern wie Kanada restriktivere Vorschriften gelten. In der Schweiz können die Behörden die Staatsangehörigkeit bei schweren Verbrechen, insbesondere im Zusammenhang mit Terrorismus oder organisierter Kriminalität, entziehen. Großbritannien hingegen hat die Möglichkeit, die Staatsangehörigkeit zu widerrufen, wenn dies dem öffentlichen Wohl dient, ohne dass die Person staatenlos wird. In den USA können Bürger ihre Staatsbürgerschaft verlieren, wenn sie Mitglied in totalitären oder terroristischen Organisationen sind.

Die Diskussion um den Entzug der Staatsbürgerschaft und die damit verbundenen Vorschriften wird somit nicht nur in Deutschland, sondern auch auf internationaler Ebene lebhaft geführt. Die Voraussetzungen für die Einbürgerung in Deutschland sind im Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) geregelt, wobei die Anforderungen für den Verlust der Staatsangehörigkeit klar definiert sind.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Forderungen von Merz eine grundlegende Debatte über das Staatsangehörigkeitsrecht und die gesellschaftliche Integration anstoßen. Die gesellschaftlichen, rechtlichen und historischen Implikationen seiner Aussagen werden die politische Landschaft in Deutschland noch eine Weile beschäftigen. Die Reaktionen der politischen Akteure verdeutlichen, wie sensibel das Thema Staatsangehörigkeit ist und dass es intensiven Diskussionsbedarf gibt.