Fledermäuse sind nicht nur faszinierende Wesen, sie sind auch beeindruckende Langstreckenflieger. Eine neue Studie des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie und der Universität Konstanz enthüllt, dass der Große Abendsegler (Nyctalus noctula) jährlich Tausende von Kilometern zurücklegt. Diese Fledermausart nutzt dabei innovative Flugstrategien, indem sie auf Warmfronten von Stürmen „surft“, um ihren Energieverbrauch zu optimieren. Die Forschung, die in der renommierten Fachzeitschrift Science veröffentlicht wurde, bietet tiefere Einblicke in die Migrationsverhalten dieser Tiere.

Die Studie konzentrierte sich auf die Frühjahrswanderung von 71 Weibchen des Großen Abendseglers. Mittels ultraleichter Sensoren, die auf das Rückenfell der Tiere geklebt wurden, konnten die Wissenschaftler die Flugstrategien und Wanderverhalten dieser faszinierenden Art analysieren. Die Sensoren, die nur etwa fünf Prozent des Körpergewichts eines Großen Abendseglers wiegen, erfassten Daten zu Aktivität und Umgebungstemperatur. Diese Informationen wurden über ein Langstrecken-Funknetzwerk übertragen.

Varianz in den Wanderrouten

Eine der überraschendsten Erkenntnisse der Untersuchung war, dass die Wanderrouten des Großen Abendseglers variabler sind als zuvor angenommen, ohne einen einheitlichen Migrationskorridor. Die Tiere sind in der Lage, in einer Nacht erstaunliche 400 Kilometer zu fliegen, was einen neuen Rekord für diese Art darstellt. Dabei erfolgt die Migration in Sprüngen, da die Fledermäuse auf ihren täglichen Nahrungserwerb angewiesen sind.

Wettereinflüsse spielen eine wesentliche Rolle bei den Wanderungen. Veränderungen wie sinkender Luftdruck und steigende Temperaturen können die Abflüge der Fledermäuse beeinflussen. Durch die Unterstützung warmer Rückenwinde optimieren die Tiere ihren Flug und nutzen die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen optimal aus. Der Einsatz dieser fortschrittlichen Techniken und die Interaktion mit den Wetterbedingungen sind entscheidend für den Erfolg ihrer Wanderung.

Lebensräume und Fortpflanzung

Der Große Abendsegler ist eine baumbewohnende Fledermausart, die oft in Baumhöhlen und in Gebäuden Quartiere nutzt. Diese Quartiere dienen sowohl als Sommer- als auch als Winterdomizil. Weibchen bilden in Wochenstubenquartieren Gruppen von 20 bis 60 Individuen, und ihre Geburtsortstreue ist sehr hoch. Im Frühjahr ziehen die Fledermäuse in ihre Sommergebiete, während die Herbstmigration in ihre südlicheren Überwinterungsgebiete Mitte August beginnt. Die Untersuchungen zeigen, dass der Schutz dieser Tiere und ihrer Lebensräume für den Fortbestand der Art von großer Bedeutung ist.

Zusätzlich ist das Wachstum der menschlichen Infrastruktur, wie Windkraftanlagen, ein zunehmendes Risiko für die migrierenden Fledermäuse. Kollisionen mit diesen Anlagen stellen eine gefährliche Bedrohung dar. Die Erkenntnisse der aktuellen Studie könnten dazu beitragen, den Artenschutz zu verbessern. Durch das Verständnis der Wanderzeiten und -orte der Tiere lassen sich gezielte Maßnahmen ergreifen, um die Kollisionen mit Windrädern zu minimieren.

Forschungsbedarf und Herausforderungen

Die Forschung zu migrierenden Fledermäusen ist von großer Bedeutung, da diese Tiere anfällig für Umweltveränderungen sind. Schutzmaßnahmen sind begrenzt, da bisher wenig über ihre Migration bekannt ist. Das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung sowie der NABU Mecklenburg-Vorpommern arbeiten gemeinsam an einem Langzeitprojekt, das sich mit der Migration dieser Fledermausarten beschäftigt und Herausforderungen wie Lichtverschmutzung und Landnutzungsänderungen untersucht.

Insgesamt zeigt die Kombination von Grundlagenforschung und praktischen Naturschutzfragen, dass es notwendig ist, die Migration und die ökologischen Bedürfnisse dieser Tiere zu beobachten. Die gewonnenen Erkenntnisse leisten einen wichtigen Beitrag zum Schutz des Großen Abendseglers und seiner Lebensräume.

Für weitere Informationen zu den Flugstrategien und dem Lebenszyklus des Großen Abendseglers siehe Campus Konstanz, Bundesamt für Naturschutz und IZW Berlin.