Ort | Görlitz |
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In Görlitz, einer Stadt, die für ihre beeindruckende Architektur und kulturelle Vielfalt bekannt ist, brodeln die Emotionen. Trotz der malerischen Kulisse und der zahlreichen restaurierten Baudenkmäler hat die Stadt ein alarmierendes Wahlergebnis hervorgebracht: Über 36 Prozent der Stimmen gingen 2024 an die AfD, in ländlichen Gebieten sogar über 40 Prozent. Dies hat die Debatte über die politische Stimmung im Osten Deutschlands neu entfacht. Daniel Morgenroth, der Intendant des Gerhart-Hauptmann-Theaters, äußerte sich dazu in einem Interview mit der Berliner Zeitung und stellte klar: „Wir haben hier keine 40 Prozent Nazis, das ist Quatsch.“
Morgenroth, der seit 2021 in Görlitz tätig ist, sieht die Wähler der AfD nicht als homogene Gruppe von Extremisten, sondern als Menschen, die mit der aktuellen politischen Landschaft unzufrieden sind. „Die meisten können einfach mit der derzeitigen Parteienlandschaft und Regierung nichts anfangen“, erklärte er. Diese Wähler könnten potenziell für andere Parteien gewonnen werden, wenn man ihnen die richtigen Anreize bietet.
Die Herausforderungen der Kultur
Doch die Probleme in Görlitz gehen über die politische Landschaft hinaus. Morgenroth betont, dass das größte Problem nicht die AfD, sondern die finanzielle Situation des Theaters sei. „Wir stehen vor der Insolvenz ab 2025“, warnt er und verweist auf die angespannte Lage der kommunalen Theater und Orchester in Sachsen. Die Kulturraumgesetzgebung, die einst für eine breite kulturelle Versorgung sorgte, hat versagt, und die Budgets schmelzen dahin. „Es ist Geld für alles Mögliche da. Es ist eine Entscheidung, wofür man es ausgibt“, so Morgenroth weiter.
Die finanzielle Not hat ihn sogar dazu gebracht, die Namensrechte des Theaters an Coca-Cola zu verkaufen, um eine Debatte über die Werte der Kunst und deren finanzielle Unterstützung anzuregen. „Der Theatername ist eigentlich nur ein Feigenblatt, das noch nicht gefallen ist“, sagt er provokant. Die Diskussion um die Finanzierung der Kultur ist aktueller denn je, und Morgenroth fordert eine Mitteldynamisierung von der neuen Regierung.
Ein lebendiges Görlitz
Trotz der Herausforderungen sieht Morgenroth in Görlitz eine lebendige Stadt mit einer aktiven Kulturszene. „Ich erlebe Görlitz als eine tolle, lebendige Region, in der es viel Liebe und Interesse für Kunst gibt“, betont er. Die hohe Wahlbeteiligung von über zwei Dritteln der Berechtigten sieht er als Zeichen einer lebendigen Demokratie, auch wenn die Wähler möglicherweise nicht die „richtige“ Partei wählen.
Die Stadt hat sich in den letzten Jahren gewandelt und wird internationaler und jünger. „Durch die Hochschule und das Deutsche Zentrum für Astrophysik passiert hier gerade viel“, erklärt Morgenroth. Die Vorurteile über den Osten, die oft in den Köpfen der Menschen im Westen verankert sind, sind nicht mehr gerechtfertigt. Görlitz bietet eine Vielzahl an Freizeitmöglichkeiten, von Wandern im Zittauer Gebirge bis hin zu Wassersport am Berzdorfer See.
Die Diskussion um die politische Situation und die Kultur in Görlitz wird am 21. November 2024 weitergeführt, wenn Morgenroth mit Holger Friedrich, dem Verleger der Berliner Zeitung, über Meinungsfreiheit diskutiert. „Es ist wichtig, dass auch Menschen ohne Geld an solchen Diskussionen teilnehmen können“, sagt Morgenroth und lädt alle Interessierten ein, an der Veranstaltung teilzunehmen.
Die Situation in Görlitz zeigt, wie komplex die Herausforderungen sind, mit denen die Stadt und ihre Bewohner konfrontiert sind. Die Mischung aus politischer Unzufriedenheit und finanziellen Nöten im Kulturbereich erfordert eine differenzierte Betrachtung und einen offenen Dialog, um die Stadt in eine positive Zukunft zu führen.
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