Der ex-CEO von Trigema, Wolfgang Grupp, sorgt mit seinen kontroversen Ansichten zur Arbeitsmoral und Krankmeldung in Deutschland für Diskussionen. Auf seinem Podcast „Mal Grupp gesagt“ äußerte er sich über die hohe Zahl an Krankmeldungen und forderte grundlegende Änderungen im System der Lohnfortzahlung. Er sieht die derzeitige Regelung, nach der Arbeitnehmer ab dem ersten Krankheitstag eine 100-prozentige Lohnfortzahlung erhalten, als ein Hauptproblem an. Grupp argumentiert, dass diese Regelung Anreize schafft, sich auch bei geringfügigen Beschwerden als krank zu melden. Die Diskussion um die Arbeitsmoral wird intensiver, besonders in einem Land, das traditionell als arbeitnehmerfreundlich gilt.
Bei Trigema ist die Regelung zur Krankmeldung strenger als in vielen anderen Unternehmen; Mitarbeiter müssen bereits am ersten Tag eine Krankmeldung von einem Arzt vorlegen. Dies ist nicht allgemein üblich, könnte jedoch zur Senkung des Krankenstands beigetragen haben. Der Krankenstand bei Trigema ist mit etwa 10 bis 11 Krankheitstagen pro Jahr im Vergleich zu den durchschnittlichen 17,7 Tagen laut Techniker Krankenkasse bemerkenswert niedrig. Grupp stellt einen Zusammenhang zwischen der Wertschätzung von Mitarbeitern und deren Fehlzeiten fest und glaubt, dass persönliche Arztbesuche eher zur Klärung des Gesundheitszustands beitragen als telefonische Krankschreibungen.
Veränderte Rahmenbedingungen für Arbeitnehmer
In der Debatte um die Arbeitsmoral wird auch auf die veränderten Rahmenbedingungen für Arbeitnehmer eingegangen. Zuletzt berichtete das Statistische Bundesamt, dass Arbeitnehmer im Schnitt rund 15 Tage jährlich krankgemeldet waren, ein Anstieg im Vergleich zu früheren Jahren. Die Hauptursachen für Fehlzeiten sind Atemwegserkrankungen und psychische Störungen, wobei besonders depressive Episoden zu erheblichen Kündigungszeiten führen können. Im Jahr 2023 lag der Krankenstand bei 15,2 Tagen, dem höchsten Wert seit 1991, was die Diskussion um das Thema nur verschärft und die Sichtweise auf die Arbeitsmoral weiter verkompliziert.
Beobachtungen zeigen, dass viele Unternehmen unter dem Druck des Fachkräftemangels leiden: 62 % berichten von Mehrbelastungen. Vor einigen Jahren suchten Firmen noch händeringend nach Experten, doch nun scheint es einen Paradigmenwechsel zu geben. Ein kritischer Ton zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern hat sich entwickelt, wobei Führungskräfte wie Mercedes-Chef Ola Källenius den hohen Krankenstand und die einfache Krankschreibung anprangern. Diese Entwicklung spiegelt einen tiefen Riss zwischen den Erwartungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern wider.
Die Zukunft der Arbeitsmoral
Die Debatte um die Arbeitsmoral ist nicht nur eine interne Angelegenheit Deutschlands, sondern sie hat auch internationale Dimensionen. Während Deutschland mit einem hohen Krankenstand kämpft, arbeiten andere Länder wie Kolumbien deutlich länger, wenn auch oft mit niedrigeren Löhnen. Diese Vergleiche könnten dazu führen, dass das Bild der deutschen Arbeitskräfte als besonders fleißig und zuverlässig infrage gestellt wird. Die OECD berichtet, dass Deutsche im Schnitt nur 1347 Stunden pro Jahr arbeiten, was im Gegensatz zu den 2300 Stunden kolumbianischer Arbeitnehmer steht.
Ein zusätzlicher Aspekt, der in der Diskussion nicht fehlen darf, sind die Bedürfnisse der jungen Arbeitnehmer. Viele von ihnen stellen die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit in Frage und vermissen Aufstiegsmöglichkeiten sowie Verantwortung. In einem sich verändernden Arbeitsmarkt sind Arbeitgeber gefordert, Lösungen zu entwickeln, um die Arbeitsmoral zu steigern, anstatt die Arbeitnehmer zu kritisieren. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Dynamik weiterentwickeln wird und welche Rolle persönliche Initiative und Unternehmensverantwortung dabei spielen.