Bundespräsident a. D. Joachim Gauck wird am 30. Januar 2025 einen Vortrag an der Universität Heidelberg halten. Die Veranstaltung findet in der Aula der Neuen Universität um 18.15 Uhr statt und trägt den Titel „Herausgeforderte Demokratie“. Gauck wird darin untersuchen, inwiefern die christliche Kirche Antworten auf die aktuellen inneren und äußeren Bedrohungen der Demokratie bieten kann. Organisiert wird der Vortrag von der Theologischen Fakultät im Rahmen der „Master Lectures“, deren Ziel es ist, den Austausch zwischen akademischer Theologie und Persönlichkeiten aus Kirche, Politik und Gesellschaft zu fördern.

Joachim Gauck, geboren in Rostock, ist eine prägende Figur in der deutschen Geschichte. Er studierte Theologie und war von 1965 bis 1990 viele Jahre als Pastor in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs tätig. 1989 gehörte er zu den Mitbegründern des Neuen Forums, einer Bürgerrechtsbewegung gegen die SED-Diktatur, und wurde 1990 als Abgeordneter der Bürgerbewegungen in die erste frei gewählte Volkskammer gewählt. Von 1991 bis 2000 war er zudem der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR und von 2012 bis 2017 der elfte Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland.

Die Bedrohungen der Demokratie

In seinem aktuellen Buch „Erschütterungen“ beschreibt Gauck die Lage der liberalen Demokratie als von doppelter Bedrohung betroffen. Extern sieht er Gefahren durch Russland, das das völkerrechtliche Gewaltverbot missachtet, und intern beobachtet er autoritäre, populistische Kräfte, die Pluralismus und Rechtsstaatlichkeit infrage stellen. Er macht deutlich, dass eine Rückbesinnung auf die Werte der Aufklärung sowie eine aktive Verteidigung der Demokratie notwendig sind, um den Gefahren der Ablehnung der modernen, liberalen Demokratie entgegenzutreten.

Gauck warnt vor der Gefährdung demokratischer Institutionen durch deren Missbrauch für illiberale Zwecke. Er thematisiert auch die Polarisierung und Radikalisierung innerhalb der Gesellschaft und hebt die Stabilität der demokratischen Mitte in Deutschland hervor. Gleichzeitig betont er die Bedeutung der christlichen Werte für die Gesellschaft. Die Kirchen engagieren sich aktiv für Flüchtlinge und Asylsuchende, was auch in Anbetracht der Zuwanderung und deren Herausforderungen von zentraler Bedeutung ist.

Wahrheit und Verantwortung der Bürger

Ein zentrales Thema seines Vortrags wird die Diskussion über die Wahrheit in der Demokratie sein. Gauck verweist auf das biblische Zitat „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen“, um die Notwendigkeit der Wahrheitsfindung und -bewahrung zu unterstreichen. Er fordert die Bürger auf, Verantwortung für die Demokratie zu übernehmen, um diese auch in stürmischen Zeiten zu bewahren und zu stärken.

Zusätzlich wird Gauck am 8. Februar an einem Gesprächsabend in Basel teilnehmen, bei dem die Gefährdungen liberaler Demokratien im Fokus stehen. Dieser Anlass ist bereits ausverkauft und verspricht, die Diskussion über Bedrohungen durch Rechtspopulismus sowie die Infragestellung der Rechtsstaatlichkeit und Bürgerrechte zu intensivieren. Gauck wird dabei auf die wachsenden Herausforderungen eingehen, die sich aus den jüngsten gesellschaftlichen Entwicklungen ergeben.

Studien zu Kirche und politischer Kultur

Im Kontext des Vortrags und der allgemein bedrohlichen Lage der Demokratie hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) eine interdisziplinäre Studie veröffentlicht, die den Zusammenhang zwischen Kirchenmitgliedschaft, Religiosität, politischer Kultur und Vorurteilsstrukturen untersucht. Die Studie, die über drei Jahre in verschiedenen sozialwissenschaftlichen Perspektiven durchgeführt wurde, zeigt, dass Menschen mit starkem Glauben tendenziell weniger Vorurteile gegenüber Geflüchteten und Muslim*innen hegen, allerdings stärkere Vorurteile gegenüber sexueller Vielfalt aufweisen.

Die Erkenntnisse der Studie verdeutlichen das integrierende Potenzial von Kirchengemeinden, die in der Lage sind, verschiedene theologischen und gesellschaftspolitischen Haltungen miteinander zu verbinden. Die Herausforderung für die Gemeinden liegt darin, Aufgeschlossenheit zu fördern und vorhandene Vorurteile abzubauen. Die Ergebnisse sind kostenlos auf der Website der EKD verfügbar und auch im Buchhandel erhältlich.

Gaucks bevorstehender Vortrag bietet somit nicht nur die Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen, sondern auch einen Anstoß zur Reflexion über die eigene Verantwortung in der Demokratie.

Weitere Informationen finden Sie in den Artikeln von Universität Heidelberg, Kirchenbote und EKD.