Rheingau-Taunus-Kreis

Vom Kneipensterben zur Dorfbelebung: Bärstadt setzt auf Gemeinschaft

In der Taunus-Gemeinde Schlangenbad-Bärstadt haben engagierte Bürger unter der Leitung von Stefan Münzer eine Genossenschaft gegründet, um ihre traditionsreiche Dorfkneipe "Volkswirtschaft" im Mai 2019 wiederzubeleben, nachdem das Dorf zunehmend an gesellschaftlichem Zusammenhalt verloren hatte.

In der kleinen Gemeinde Schlangenbad-Bärstadt hat eine Gruppe von engagierten Bürgern gezeigt, wie man aus einer Notlage eine Chance machen kann. Angesichts des Schwunds an sozialen Treffpunkten im Dorf wurde die Idee geboren, selbst eine Kneipe zu eröffnen. Stefan Münzer, ein Mitglied der Initiativgruppe, beschreibt den Moment: „Als es hier im Dorf keine richtige Kneipe mehr gab, haben wir uns gedacht: ‚Das versuchen wir selbst‘.” Dieses Engagement führte zur Gründung der „Volkswirtschaft Lindenhof e.G.“, einer genossenschaftlich geführten Gaststätte, die im Mai 2019 eröffnet wurde.

Der Anstoß für dieses ungewöhnliche Vorhaben kam aus einer Männerrunde, in der man über die nachlassenden sozialen Impulse im Dorf diskutierte. „Die Post ist weg, die Bank ist weg, der Metzger hatte zu – es fehlten zunehmend Impulse für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“, sagt Münzer. Der Kontakt zu einer ähnlichen genossenschaftlichen Gaststätte in Nordrhein-Westfalen stellte sich als wertvoll heraus; eine Delegation aus Bärstadt reiste nach Gummersbach-Hülsenbusch, um sich Inspiration zu holen. Am Gründungsabend fanden sich dann 150 Genossen zusammen, die mit jeweils 100 Euro durch ihren Beitrag signalisierten: Hier wird ein neues Kapitel für die Dorfgemeinschaft aufgeschlagen.

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Dorfkneipe als sozialer Knotenpunkt

Die „Volkswirtschaft“ bietet nicht nur Speisen und Getränke, sondern seither auch einen wichtigen sozialen Treffpunkt für die Dorfgemeinschaft. Die Öffnungszeiten gelten für dienstags, donnerstags und freitags von 19:00 bis 22:30 Uhr. Besonders die Veranstaltungsabende ziehen viele Menschen an, bei denen unter anderem Bingo, Kneipenquizze und Theateraufführungen geboten werden. „Besonders bei diesen Events kommen die Generationen zusammen“, erklärt Vorstandsmitglied Andrea Meyer. Die Kneipe hat sich somit zu einem Ort entwickelt, an dem Menschen unterschiedlichen Alters zusammenkommen und miteinander interagieren können.

Die Betreiber betonen, dass das Projekt nicht auf Profit ausgerichtet ist. Die wirtschaftliche Lage der „Volkswirtschaft“ sei stabil, was durch jährliche Prüfungen des Genossenschaftsverbands bestätigt wird. Als besondere Rendite für die Genossen wird bei der jährlichen Generalversammlung Freibier ausgeschenkt. Dies zeigt, dass es hier nicht nur um finanziellen Gewinn geht, sondern um gemeinnützige Werte und das gemeinschaftliche Erlebnis.

Der positive Trend in Schlangenbad-Bärstadt steht im Kontrast zu einer umfassenderen Herausforderung in Hessen, wo die Anzahl der Dörfer ohne Gaststätten stetig steigt. Ein Bericht des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga Hessen zeigt alarmierende Statistiken: Während 2017 nur 19 Gemeinden im ländlichen Raum betroffen waren, wuchs diese Zahl bis 2021 auf 42 Gemeinden an. Die Ursachen sind vielfältig, reichen von einer erhöhten Gastro-Mehrwertsteuer bis zu stark gestiegenen Kosten, was zu einem Rückgang der Gäste und damit der Umsätze führt.

Neue Ansätze zur Rettung von Traditionsveranstaltungen

Die Schwestern Larina Keller, Vanessa Neumann und Daniela Neumann haben einen weiteren innovativen Ansatz gewählt, um eine alteingesessene Lokalität in Gießen-Wieseck zu retten. Sie übernahmen das Traditionslokal „Waldfrieden“ und ließen ihre kreative Vision in die Realität umsetzen, indem sie ein Gartencafé eröffneten. Anders als beim traditionellen Haute Cuisine liegt der Fokus auf kreativen Veranstaltungen und Workshops für verschiedene Altersgruppen. „Das Konzept wird gut angenommen“, berichtet Daniela Neumann, auch wenn einige Stammgäste nach den klassischen Schnitzelgerichten fragen.

Insgesamt zeigt diese Entwicklung, dass innovative Initiativen und gemeinschaftlicher Einsatz möglicherweise Lösungen für den Rückgang von Gaststätten im ländlichen Raum darstellen können. Die Gründung von Genossenschaften und kreative Konzepte könnten die Antwort auf die Herausforderungen des Gasthaussterbens sein.

Der Kampf gegen das Gaststubbsterben

Das, was sich in Schlangenbad-Bärstadt und Gießen-Wieseck abspielt, könnte als Modell für andere Gemeinden dienen, die ähnliche Probleme haben. Diese Initiativen unterstreichen die Bedeutung eines Gemeinwesens, das Gesamtheit und Zusammenhalt fördert, während zugleich wirtschaftliche Herausforderungen im ländlichen Raum in Angriff genommen werden. Es bleibt abzuwarten, ob weitere Dörfer diesem Beispiel folgen und eigene Lösungen entwickeln können, um das Gaststubbsterben zu bekämpfen.

Gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Kontext der Dorfkneipen

Die Entwicklung von Dorfkneipen in Deutschland reflektiert nicht nur soziale Bedürfnisse, sondern ist auch eng mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verknüpft. In vielen ländlichen Regionen geht es nicht nur um den einfachen Genuss von Speisen und Getränken, sondern auch um die soziale Kohäsion innerhalb der Gemeinschaft. Kneipen fungieren oft als zentrale Treffpunkte, an denen Traditionen gepflegt, Neuigkeiten ausgetauscht und zwischen den Generationen Brücken gebaut werden.

Umso herausfordernder gestaltet sich die Situation in Gemeinden, die mit dem Verlust von Gastronomiebetrieben kämpfen. Die Schließung von Gaststätten wirkt sich nicht nur negativ auf die lokale Wirtschaft aus, sondern kann auch zu einem Rückgang der sozialen Interaktion führen. Laut dem Deutschen Städte- und Gemeindebund gibt es oft einen Rückgang an Veranstaltungen und gesellschaftlichen Aktivitäten in Orten ohne Gaststätten, was zu einer Isolation der Einwohner führen kann.

Daten zur Gastronomie in Hessen

Die Herausforderungen für die Gastronomie im ländlichen Raum Hessens sind in jüngster Zeit besonders sichtbar geworden. In einer Analyse des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga Hessen wurden die steigenden Zahlen unterversorgter Gemeinden festgehalten. Die Umstellung von den traditionellen Gasthäusern hin zu neuen Gastronomiekonzepten, wie sie in Bärstadt und Gießen zu beobachten sind, zeigt eine Reaktion auf diesen Trend.

Ein bemerkenswerter Entwicklungstrend ist die steigende Anzahl von Genossenschaften, die versuchen, die gastronomische Versorgung wiederzubeleben. Dies zeigt sich in der Eröffnung der «Volkswirtschaft Lindenhof» und ähnlichen Initiativen. Sie bieten nicht nur Gemeinschaftsraum, sondern tragen auch zur Belebung der ländlichen Kultur bei. Die Idee, gemeinschaftlich zu wirtschaften, zeigt, wie die Einwohner die Herausforderungen aktiv angehen und kreative Lösungen entwickeln, die auf den lokalen Bedarf abgestimmt sind.

  • 2017: 19 Gemeinden mit weniger als einem Profibetrieb je 1.000 Einwohner
  • 2021: 42 Gemeinden mit diesem Problem, davon drei ohne Gasthof
  • Steigerung des Anteils unterversorgter Gemeinden von 4,5% auf 9,9%

Diese Statistiken verdeutlichen die steigende Notwendigkeit, den Wert von lokalen Treffpunkten in der Gesellschaft zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Erhaltung und Entwicklung zu unterstützen.

Die Zukunft der ländlichen Gaststätten

Um dem Gasthaussterben entgegenzuwirken, ist es wichtig, innovative Konzepte zu entwickeln, die den Bedürfnissen der modernen Gesellschaft Rechnung tragen. Die bisherigen Erfahrungen in Orten wie Bärstadt und Gießen zeigen, dass die Neugestaltung traditioneller Geschäftsmodelle funktionieren kann, vorausgesetzt, es wird ein Gemeinschaftsgefühl gefördert und neue Ansätze werden ausprobiert. Auch Veranstaltungen und kulturelle Angebote sind Schlüssel zu einer erfolgreichen Wiederbelebung.

Zukünftige Initiativen könnten sich auf die Stärkung der Nachfolgeregelung in bestehenden Betrieben konzentrieren, während gleichzeitig innovative Gastronomiekonzepte, die verschiedene Interessen und Altersgruppen ansprechen, gefördert werden sollten. Der Erhalt der sozialen Infrastruktur in ländlichen Gebieten ist entscheidend für den langfristigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhalt. Dies erfordert jedoch ein gemeinsames Engagement von Bürgern, Kommunen und der Politik.

Im Kontext der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen und gesellschaftlichen Veränderungen bleibt der Fortbestand der Gastro-Kultur in ländlichen Gegenden ein wichtiges Thema, das aktiv angegangen werden muss.

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