Die Universitätsmedizin Marburg nimmt eine Vorreiterrolle in der Erforschung von Long COVID und der Entwicklung neuer Versorgungsstrukturen für Patienten mit Corona-Spätfolgen ein. Unter der Leitung von Prof. Dr. Bernhard Schieffer wird das Forschungsprojekt „PROGRESS“ ins Leben gerufen, um die Herausforderungen, die das PostCOVID-Syndrom mit sich bringt, zielgerichtet anzugehen. Obwohl rund 90% der COVID-Infektionen ohne Folgen abheilen, leiden schätzungsweise 20 Millionen Menschen in Europa unter verschiedenen Symptomen, die die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen können. Problematisch ist auch, dass Neu- und Reinfektionen eine Wahrscheinlichkeit von 6-8% für das PostCOVID-Syndrom aufweisen.

Die Kardiologie am Universitätsklinikum Marburg hat während der Pandemie eine Spezialsprechstunde für PostCOVID-Patienten eingerichtet. Das Ziel des Projekts „PROGRESS“ ist die Standardisierung der regionalen Versorgungsstruktur für Diagnostik und Therapie. Digitale und barrierefreie Angebote werden für Menschen in Hessen bereitgestellt. Prof. Schieffer hat hierzu Fördermittel in Höhe von 3,8 Millionen Euro vom Bundesministerium für Gesundheit akquiriert. Aktuell warten rund 3.000 Patienten in den COVID-Ambulanzen des Marburger Universitätsklinikums bis zu einem Jahr auf einen Termin.

Innovative Behandlungsansätze

Ein kürzliches Projekt des Marburger Forscherteams hat einen neuen Ansatz zur Behandlung von Post-COVID-Symptomen hervorgebracht. Durch die Verwendung von Cholesterin- und Blutdruckmedikamenten konnten bei bis zu 90% der Patienten signifikante Verbesserungen erzielt werden. Diese Behandlung ist speziell für Symptome wie Müdigkeit, Schwindel und Herzrasen vielversprechend. Während Prof. Schieffer darauf hinweist, dass dies keine vollständige Heilung darstellt, zeigt die Therapie dennoch ermutende Resultate.

Die Studie hat veränderte Proteine bei Post-COVID-Patienten identifiziert, was auf den Zusammenhang zwischen Cholesterinregulation und Symptomatik hinweist. Über fettstoffwechselbedingte Störungen klärend, zeigt sich, dass COVID-19 auch als eine Erkrankung mit generalisierter Gefäßentzündung betrachtet wird. In Hessen wird zudem ein Zentrum für postinfektiöse Erkrankungen etabliert, um die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu fördern und eine umfassende Patientenversorgung zu gewährleisten.

Globale Herausforderungen und Ansätze

Der Ernst der Lage ist international anerkannt. Forscher der KU Leuven in Belgien arbeiten an evidenzbasierten Leitlinien zur Behandlung von Long COVID. Diese beinhalten umfassende Empfehlungen für Ärzte, Physiotherapeuten und andere Spezialisten sowie Ansätze zur Rehabilitation. In Belgien werden Patienten je nach Gesundheitszustand entweder einem monodisziplinären oder einem multidisziplinären Versorgungsweg zugewiesen, was eine koordinierte Betreuung ermöglicht. Diese Maßnahmen sind von zentraler Bedeutung, um den Betroffenen eine angemessene Unterstützung zukommen zu lassen.

Die aktuellen Forschungsanstrengungen verdeutlichen, dass die Pandemie noch nicht vorbei ist und neue Varianten sowie Langzeitfolgen von COVID-19 weiterhin große Herausforderungen darstellen. Der Fall von Hilde, einer Patientin, die von den neuen Versorgungspfaden in Belgien profitiert hat, zeigt, dass strukturierte Ansätze zur Unterstützung von Long-COVID-Patienten vielversprechend sind und deren Lebensqualität deutlich verbessern können.

Insgesamt zielen die Projekte in Marburg und darüber hinaus darauf ab, die Zeit des unklaren Leidens für Patienten zu verkürzen und das Gesundheitssystem zu entlasten. Der interdisziplinäre Ansatz, kombiniert mit innovativen Behandlungen, könnte somit Wegweisendes für die Zukunft der PostCOVID-Versorgung darstellen.

Für weitere Informationen über die laufenden Forschungsprojekte und Behandlungsansätze besuchen Sie Universitätsmedizin Marburg, Hessenschau und WHO Europa.