In der Analyse der Vergangenheit ist die Uni Gießen ein bedeutendes Beispiel für den Wandel in der Hochschulpolitik und der studentischen Mitbestimmung. Die Ereignisse, die sich in den 1970er Jahren abspielten, sind nicht nur die Geschichte eines Protestes, sondern auch eine Reflexion über die Entwicklungen in der akademischen Mitbestimmung, die bis heute nachwirken.
Auseinandersetzungen an der Justus-Liebig-Universität
Im Jahr 1971 entbrannte an der Justus-Liebig-Universität (JLU) ein heftiger Konflikt, als bekannt wurde, dass rund 160 Hochschulassistenten zu Dozenten oder Professoren ernannt werden sollten. Der Streit um die Ernennung dieser Lehrkräfte war gekennzeichnet durch Fragen der Mitbestimmung: Hatte der Senat ein echtes Mitspracherecht oder handelte es sich lediglich um die Umwandlung von Stellen, an denen der Senat nicht beteiligt wurde?
Der heutige Allgemeine Studierenden Ausschuss (AStA) betont, dass dieser Streit von großer Bedeutung war, da die Fachbereiche darüber entscheiden wollten, wer die zukünftigen Dozenten sein würden. Studenten waren besorgt, dass ihre Stimmen im Senat unterrepräsentiert blieben; ein Zustand, der bis heute weiterhin diskutiert wird.
Proteste und deren Auswirkungen
Am 1. Dezember 1971 versammelten sich 30 bis 40 Studierende und stürmten die entscheidende Senatssitzung, um auf die Bedeutung studentischen Einflusses aufmerksam zu machen. Diese Aktion führte dazu, dass die Sitzung abgebrochen und auf den 8. Dezember verschoben wurde. Wiederum kam es zu Protesten und der Hochschulpräsident musste alternative Standorte für die Sitzung einrichten, um der Situation zu entkommen.
Die repressiven Maßnahmen der Universitätsleitung, die unter anderem die Polizei einschaltete, haben daraufhin kritische Fragen zu den Rechten der Studierenden aufgeworfen. Dies führte zur Anzeige gegen mehrere Demonstranten, darunter Jürgen Dietz, der Vorsitzende des damaligen AStA.
Der tragische Tod von Jürgen Dietz
Die Ereignisse um Dietz und die Konsequenzen seiner Aktivität sind schockierend. Zwei Jahre nach den Protesten wurde er wegen Hausfriedensbruchs und Nötigung verurteilt, was seinen psychischen Zustand weiter belastete. Im August 1974 nahm sich Dietz in einer Zeit großer persönlicher Krise das Leben. Berichten zufolge erfuhr er an diesem Morgen von den gegen ihn erhobenen Anklagen gegen zwei Unterstützer und war über die Entwicklung erschüttert.
Nach diesem Vorfall gab es vehemente Proteste von Studierenden gegen die Hochschulleitung и deren Entscheidungen, was einen nachhaltigen Einfluss auf die Beziehung zwischen Studierenden und Verwaltung hatte.
Erinnerung und Bedeutung für die Zukunft
Im Jahr 1994 benannte der AStA das Gebäude in der Otto-Behaghel-Straße in Jürgen-Dietz-Haus um, um an die damaligen Ereignisse zu erinnern. Die Reaktionen auf diese Umbenennung waren gemischt. Einige Kritiker glaubten, dass die Zurschaustellung von Dietz als „Märtyrer“ sein komplexes Erbe nicht gerecht werden kann, da er, wie berichtet, zu Lebzeiten unter schweren psychischen Problemen litt.
Diese Hinweise auf die Vergangenheit stellen auch eine Art Aufforderung dar, die Themen von studentischer Mitbestimmung, psychischer Gesundheit und der Verantwortung von Institutionen in den Vordergrund zu rücken. Die Geschehnisse zur Zeit der 68er-Bewegung sind heute von entscheidender Bedeutung, nicht nur für die Hochschule Gießen, sondern für Bildungseinrichtungen weltweit.