AUF DER JAGD NACH DEM NIBELUNGENMYTHOS
Die Nibelungenfestspiele Worms ziehen dieses Jahr die Aufmerksamkeit auf sich mit einer faszinierenden Neuinszenierung des Nibelungenmythos. Unter dem Titel „Der Diplomat“ haben die Autoren Feridun Zaimoglu und Günter Senkel sowie Regisseur Roger Vontobel ein Psychogramm des berühmten Mythos entworfen. Die Hauptrolle spielt dabei der diplomatische Gedankenaustausch mit dem Hunnenkönig Etzel, gespielt von Franz Pätzold und Marta Kizyma.
Der besondere Reiz dieser Inszenierung liegt in ihrer metaphorischen Tiefe und ihrer ansprechenden visuellen Darstellung. Vor dem spektakulären Dom eröffnet sich dem Publikum ein kulturhistorischer Raum, der Vergangenheit und Gegenwart miteinander verwebt. Besonders beeindruckend ist die Darstellung des dauerblutenden Siegfried, der symbolisch für unheilbare Wunden steht, die sich in unsere heutige Zeit fortsetzen.
Ein interessanter Aspekt der Inszenierung ist die Fokussierung auf die Figur des Dietrich von Bern, verkörpert von Franz Pätzold. Diese Randfigur des Nibelungenmythos wird hier zu einem zentralen Element, das die verschiedenen Handlungsstränge miteinander verbindet. Die kriegerische Kriemhild, dargestellt von Jasna Fritzi Bauer, verleiht dem Stück eine zusätzliche Spannungsebene.
„Der Diplomat“ ist ein langes Stück, das vor allem durch die psychologische Tiefe seiner Charaktere besticht. Die Inszenierung gelingt es, die inneren Konflikte der Figuren auf eindrucksvolle Weise sichtbar zu machen. Trotz einiger spektakulärer Effekte wie Animationen auf der Domfassade bleibt die Inszenierung bodenständig und fokussiert auf die psychologische Entwicklung der Charaktere.
Insgesamt ist „Der Diplomat“ eine gelungene Neuinterpretation des Nibelungenmythos, die mit einer starken Besetzung und einer packenden Inszenierung überzeugt. Die Themen des Stücks, wie Diplomatie, Krieg und Frieden, sind von zeitloser Relevanz und laden das Publikum dazu ein, über die aktuelle Weltlage nachzudenken. Die Nibelungenfestspiele Worms setzen mit dieser Inszenierung ein kulturelles Highlight, das noch lange in Erinnerung bleiben wird.